7. Kontrast

Kandisky, Ausschnitt, Komposition VIII, 1923, Öl/Lw

Beschreibung des Tatbestandes:

Unter Kontrasten verstehen wir (deutlich) wahrnehmbare Unterschiede zwischen zwei benachbarten Zonen. Diese Kontraste können durch alle möglichen bildnerischen Elemente realisiert werden. (Hell/Dunkel, Farbkontraste, Formkontraste, Richtungskontraste, auch Spurkontraste, Materialkontraste z.B. als Mischtechnik, und Kontraste auf der Ebene der Zeichenaspekte z.B. ikonisch-abstrakt (flächig-räumlich), oder ikonisch-symbolisch (surrealistische Collage), oder auch gestisch-ikonisch (gestisch als indexalischer Zeichenaspekt wie bei den Fotoübermalungen von Arnulf Rainer)

Die Sinnesphysiologie ist darauf angelegt, insbesondere Kontraste wahrzunehmen. Kontrast erhöht die Aufmerksamkeit. Prägnante Kontraste sind für die ästhetische Wirkung besonders wichtig. Sie geben dem Auge Anlass das Besondere im Umfeld des Allgemeinen auszumachen. Nur über Kontraste können  wir die Dinge unterscheiden. Kontraste sind, wenn sie sehr intensiv in Erscheinung treten, Kennzeichen tiefensymbolischer Wahrnehmung. Daher kommt der Schreck; die unerwartete Veränderung im Leben durch Tod oder Unglück macht alles "plötzlich ganz anders"; "aus etwas herausgerissen werden", mit Sicherheit ist schon die Geburt eine der ersten elementaren Kontrasterfahrungen. Wir haben mit den Kontrasterfahrungen vielleicht die elementarsten existentiellen Konstanten im Blick. Hunger und Sättigung, müde und wach, warm und kalt, die ganze Serie polarer Befindlichkeiten taucht hier auf. 

Sind die Kontraste eher schwächer oder haben wir es mit immer wiederkehrenden Information zu tun, werden diese zwar nach wie vor wahrgenommen, können sich aber der Aufmerksamkeit entziehen gemäß den Überlegungen zur Ikonizität. (Nicht die "Reizschwelle" wird erhöht, sondern die Information wird nicht mehr bewusst wahrgenommen, da sie "bekannt" ist.)

Beim Betrachten von Bildern erfassen wir auch diese nur über deren Kontrastwirkungen. Die Kontraste und deren Erscheinungsform lässt beim Betrachter die existentiellen Konstanten anklingen und gibt dem Bild von daher eine bestimmte Tendenz. 

7.1. Farbkontraste

Edgar Knoop, Auschnitt, Collage aus der Serie 'mirages/horizonte'

Beschreibung des Tatbestandes:

Unter den Bildkontrasten nehmen die Farbkontraste eine besondere Stellung ein. Viele Künstler und Wissenschaftler haben sich zu Farben und deren Wirkungen geäußert. Besonders bekannt sind die Farbenlehren von Johann Wolfgang von Goethe und Philipp Otto Runge, aber schon in der Antike versuchten Aristoteles und Plinius Farbphänomene zu untersuchen, in der Renaissance waren dann die Vorreiter in dieser Disziplin Leonardo da Vinci und Albrecht Dürer. Auch Schopenhauer hat sich mit Farbphänomenen beschäftigt, und natürlich eine Menge Naturwissenschaftler, insbesondere die Physiker Isaac Newton, Hermann F. L.  von Helmholtz, J. C. Maxwell, Wilhelm Ostwald, und der Chemiker M. E. Chevreul. Unter den Künstlern haben sich neben Runge besonders Adolf Hölzel, Johannes Itten, Paul Klee, Wassily Kandinsky, und sicher auch Van Gogh hervorgetan. Das Werk "Interaction of Colours" des ehemaligen Bauhaus-Lehrers Josef Albers hatte großen Einfluss auf die Kunst der 60er Jahre des 20. Jahrhunderts.

Farbe ist von ihrem Wesen her immer flächig. Farbe lebt nur aus dem Kontrast mit einer anderen Farbe. Eine Linie braucht, um in ihrer Farbwirkung in Erscheinung zu treten, eine bestimmte Breite, tendiert also auch zur Fläche. 

Die Linie kann kaum als Farbe identifiziert werden im Gegensatz zur Fläche. 

Farbe kann natürlich auch zum Hintergrundsweiß kontrastieren, so dass wir den Eindruck haben, als stünde die Farbe ohne Bezug zu einer anderen Farbe auf der Fläche. Wir können dann von der "Buntwirkung" der Farbe sprechen. Dieses Phänomen beschreibt Itten mit dem Begriff "Farbe-an-sich-Kontrast". Ist das umgebende Feld z.B. Grau, dann tritt bereits eine andere Kontrastwirkung auf, die des Qualitätskontrastes. 

Zur Ergänzung: Die Kontraste werden an einer anderen Stelle genauer untersucht. Zum Farbe an sich Kontrast nur noch soviel: Auch wenn Farben nebeneinander zu stehen kommen, kann der Farbe-an-sich-Kontrast zur Geltung kommen, dann nämlich, wenn die einzelnen Farben in ihrer "Buntheit" wirken sollen, und es nicht auf eine abgestimmte "Farbigkeit" ankommt. Man kann sich einen Verkaufsstand mit "bunten Luftballons" vorstellen.

Da Farben von ihrem Wesen her nur in gegenseitigem Wechselspiel ihrer ästhetischen Qualitäten und ihrer Auswirkungen auf die Wahrnehmung erlebt werden, sind auch aneinandergrenzende, kontrastierende Farben immer auch als Zusammenwirkungen erfahrbar. Farben bauen auf Synthese auf. Unterschiedliche Elemente werden zu Einheiten zusammengefasst. Dieses Prinzip der synthetischen Farbwirkung unterscheidet sich von dem der Grafik: hier ist die Linie das entscheidende Element, die Linie repräsentiert die Grenze, die Trennung, den Schnitt. Deswegen wird eine Linie in ihrer Konkretion weniger wahrgenommen, die Farbe ist dem sinnlichen Eindruck näher, die Linie dem rationalen.

 

Zur Erfassung der Realität ist die Farbwahrnehmung von besonderer Bedeutung. Um dies optimal zu gewährleisten hat das Gehirn die Fähigkeit entwickelt, Farben quasi als Begriffe zu identifizieren, relativ unabhängig von der tatsächlichen Erscheinungsfarbe. Die Farbigkeit verändert sich objektiv sehr stark wenn sich die Lichtverhältnisse verändern. Dies ist das Gehirn in der Lage auszugleichen. Das ist für die Orientierung in der Realität von Vorteil, für den ästhetisch wahrnehmenden Menschen ist dies eher eine Nachteil. Nur durch Schulung oder eine besondere Sensitivität hat der Mensch bewusst Zugang zu der ungeheuren Pracht der Farben. "Unterschwellig" wirken Farben natürlich in ihrer aktuellen Präsenz, deswegen wirkt die Abenddämmerung auf das Gemüt anders als der frühe Nachmittag, obwohl man vermeintlich die selben Farben sieht.

Der Mensch lebt in einer Farbwelt (außer bei Nacht). Diese Umgebungswelt ist visuell aufs äußerste differenziert eben durch die kontrastierenden Farben und Begrenzungen. Die Sehbahn (der Weg den der physiologisch umgewandelte physikalische Lichtimpuls bis hin zum bewusst wahrgenommenen Objekt im Gehirn über sehr viele Zentren durchläuft) besteht aus Gehirnzentren mit den unterschiedlichsten "Aufgaben". Große Anteile davon werden der Kontrasterkennung und der Richtungserkennung von Linien, also Umrissen zur Verfügung gestellt. Möglicherweise ist die emotionale Farbwahrnehmung auch nicht mit dem gestalterkennenden Farbwahrnehmen gekoppelt. Wir erleben unsere Umgebungswelt als zusammengehörige Einheit, die aus den identifizierten Dingen besteht, die zwar individuellen Charakter haben, aber zum Gesamtbild der Situation dazugehören. Wenn sie das nicht tun, bzw. unsere Erfahrung diese "Erscheinung" nicht zuordnen kann, dann ist das Ding ein beunruhigender Störfaktor. 

Dieses erleben wir auch beim Betrachten eines Bildes: der Zusammenklang der Farben macht daraus "ein" Bild, und obwohl wir die Farben voneinander deutlich unterschieden erleben, erleben wir auch das Bild als einen Farbklang. Gleichzeitig sehen wir farbige Objekte, mit der wir diese einer bestimmten Situation zuordnen (ikonische Funktion - "Lokalfarbe"). Da wir bei ungegenständlichen Bildern den Farben keine Gegenständen zuordnen, können  wir hier die Farbqualitäten "reiner" zum Ausdruck bringen und wahrnehmen. 

weitere Überlegungen

7.2. Hell-Dunkel

Rene Magritte, L'empire des lumières, (Ausschnitt), 1953/54

Beschreibung des Tatbestandes:

Jede Farbe hat ihre eigene spezifische Farbhelligkeit. Ein reines Gelb ist heller als ein reines Blau. Neben dieser spezifischen Eigenhelligkeit kommt die Möglichkeit der Hell- und Dunkeltrübung hinzu. Bei der Helltrübung wird weißes Pigment dazugetan, im Extremfall bis der Farbanteil gänzlich verschwunden ist. Da Weiß alle drei Grundfarben beinhaltet, man durch Weißbeimischung deswegen immer Anteile der Gegenfarbe dazumischt, ist eine Aufhellung durch weiß eine "Helltrübung". Bei der Dunkeltrübung geschieht etwas anderes: hier wird Schwarz dem Farbton beigemischt, und da Schwarz die "Farbe" ist, die tendenziell gar nichts reflektiert, kann sie auch keine Trübung im Sinne der Gegenfarbe verursachen. Sie entzieht dem Farbton seine spezifische Intensität und wir haben den physiologischen Tatbestand vor uns, dass das Auge eine höhere Sensibilität im dunklen Bereich für Hell-Dunkel Abstufungen hat, als für Farbwerte. Farben brauchen  eine bestimmte Leuchtkraft, damit die Farbrezeptoren diese Farbe noch identifizieren können. In Wirklichkeit handelt es sich nicht um eine eigentliche Trübung sondern um eine Deaktivierung der Farbbestandteile. 

Schwarz und Weiß werden als unbunte Farben bezeichnet, weil sei keinen sichtbaren Farbwert aufweisen. Hier trifft wieder die Sache mit dem "Farbenwissen" zu, denn ein Weiß neben einem anderen Weiß hat sehr wohl farbliche Eigenwerte, die für unsere Wahrnehmung nur keine Rolle spielen, so dass uns die Wahrnehmung "weiß" schon reicht. Für die Inoui ist das anders: Sie kennen mehr als 20 unterschiedliche Bezeichnungen für Weißtönungen. 

Unter den Bildkontrasten nehmen deswegen die Hell-Dunkelkontraste eine wichtige Stellung ein. Viele Künstler haben ihre Bilder erst als "Camaieu" oder "Grisaille" angelegt, ehe dann die Farbe dem Bild den spezifischen Ausdruck verliehen hat. Leonardo hat die Technik des Chiaroscuro (Hell-Dunkelmalerei) z.B. bei der "Felsgrottenmadonna angewandt, um die plastische Wirkung der Figuren zu erhöhen. Plastizität von Gegenständen wird in der Regel nur durch Hell-Dunkel Abstufungen erreicht. 

Den extremem Fall des Hell-Dunkel Kontrastes erleben wir in der Grafik, in den Drucktechniken - wenn es sich nicht um Farbdrucke handelt - und selbstverständlich auch bei der Zeichnung. Ein weiteres ganz großes Gebiet des Hell-Dunkel Kontrastes stellt die schwarz-weiß Fotografie dar. 

Als existentielle Konstante ist das Hell Dunkel überall anwesend. Tag und Nacht, Licht und Schatten, die Zuordnung von Plastizität über Hell-Dunkel Werte, Aber auch die Finsternis und das Licht - ebenso im übertragenen Sinne - Gut und Böse ("die dunklen Mächte") Bewusstsein und Unterbewusstsein, die geistige "Umnachtung" und was man sonst noch alles finden kann...

Somit erfahren wir im Hell-Dunkel eines Bildes diese ganzen Ebenen mit, seltsamerweise vielleicht da am wenigsten, wo der Hell Dunkel Kontrast am intensivsten ist: bei der Grafik. Hier scheint die Figur-Grund Beziehung eine deutlich höhere Wirkungsweise zu entwickeln als der Hell-Dunkel Kontrast. Der Farbanteil z. B. beim "rembrandtschen Hell Dunkel" scheint für die emotional-psychische Empfindsamkeit des Hell-Dunkel Kontrastes wichtig zu sein.

7.3. Formkontrast

Baader, letztes Manifest

Formbestandteile des Bildes sind Punkt, Linie, Fläche, Umriss und Figur-Grund. Man kann sich hier alle möglichen kontrastierenden Elemente vorstellen: Punkthaftes gegen Lineares, Linie gegen Fläche, und Kombinationen wie gewellte Linien gegen gezackte, oder runde Flächen gegen eckige usw. Damit sind auch schon die Umrisse benannt und Figur-Grund braucht hier kaum besonders untersucht zu werden, da unter dem Gesichtspunkt von Fläche, Linie und Punkt bei Figur-Grund immer das eine oder andere sowieso eine Rolle spielt. 

Formen haben einen Ausdruck. Das Runde erscheint sanft gegenüber dem kantig Spitzen. Das Kleinteilige erscheint unruhiger als die große, gleichmäßige Fläche. Als existentielle Konstante haben wir das Bewusstsein von der äußeren Gestalt der Dinge. In der Regel erfahren wir die Qualität von Formen über die Berührung. Erst bei der direkten Berührung mit spitz, stumpf rau etc erleben wir, was es tatsächlich für Folgen hat, sich mit bestimmten Formen "anzulegen". ("Messer Gabel Scher und Licht...")... Bestimmend für Formerleben ist sicherlich auch der Kontakt mit dem menschlichen Körper. Sich auf die Zunge beißen, das Harte und das Weiche des eigenen und des fremden Körpers spüren, sind elementare Grunderfahrungen, über die jeder verfügt. Noch anders: z.B. "sich fremd vorkommen" heißt, einen Kontrast erleben zwischen der eigenen Identität und dem mich umgebenden "Grund". Das heißt aber auch, dass es einen "Empfindungskontrast" gibt zwischen meinem "Drinnen" und dem "Draußen". Form als Identitätserfahrung und Identität immer damit verbunden, dass sich diese unverwechselbar gegen das Umfeld abhebt. 

Bei bestimmten Aufgabenstellungen im bildnerischen Bereich wird sofort deutlich, wie sich diese existentiellen Konstanten "ganz automatisch" in Bildsprache übersetzen lassen: etwas "Hartes", "Aggressives" wird andere bildnerische Entsprechungen finden als etwas "Weiches" , "Mildes". Die Beispiele zeigen Schülerbeispiele aus dem Grundkurs einer 11. Klasse in Bremen.

 

7.4. Materialkontrast

Mischtechniken sind auf dem Bildschirm kaum nachvollziehbar. Hier: Tilman Rothermel, Balance (Ausschnitt), Mischtechnik auf Papier. Die Qualitäten werden hier nur in der Vorstellung unterscheidbar.

Das Bild bekommt seine besondere Wirkung durch den Einsatz unterschiedlicher Gestaltungsmaterialien. Die klassische "Mischtechnik" ist hier an zentraler Stelle gemeint. Jedes Material hat eine eigene Qualität, dies wurde bereits im Abschnitt Spur/Gestaltungsmaterial dargestellt. Kommen mehrere Qualitäten zusammen, können diese in einem bestimmten Kontrast zueinander stehen. Wir Rot mit Grün kontrastiert, so kann auch matt mit glänzend kontrastieren, oder rau mit glatt. Mischtechniken werden im Zusammenhang des Dadaismus hoffähig, Künstler wie Baumeister, Tapies, Rauschenberg, haben intensiv diese Kontrastqualität in ihren Werken angewandt.

In der Malerei vor der Moderne war 'Mischtechnik' vorwiegend die Kombination der jeweiligen Vorzüge von Öl- bzw. Temperamalerei, zuerst praktiziert von den flämischen Malern des 15. Jh.s.

Im alltäglichen Umgang mit Materialien ist uns der Kontrast unterschiedlicher Qualitäten selbstverständlich geläufig. Von der Kleidung über die Speisen, von der Inneneinrichtung bis zum sonntäglichen Spaziergang sind wir mit Materialkontrasten konfrontiert. Eigentlich immer. Sie sind so selbstverständlich, dass wir sie nur noch in den seltensten Fällen bewusst (ästhetisch) wahrnehmen. 

Wir können uns leicht vorstellen, dass Grunderfahrungen mit Materialkontrasten beim Betrachten von Bildern eine wesentliche Rolle spielen. Diese Eigenschaften haben auch etwas zu tun mit der "Aura" eines Bildes, die eben insgesamt der bildnerischen Variablen "Spur" zugeordnet wurde. 

7.5. Darstellungskontrast

Unter Darstellungskontrast verstehe ich in der Zeichenkritischen Theorie den Kontrast von verschiedenen Aussageintentionen, die sich auf einem Bild begegnen. Dies kann auf der Grundlage der Aussageebenen oder der Darstellungstendenzen oder auch auf beiden aufbauen. Beispiel 1: Auf dem Bild ist gleichermaßen die Aussageebene der Realität, wie die der Wirksamkeit gemeint. Dies wird in der Zeichenkritischen Theorie als "Mischungsverhältnis beschrieben und ist an und für sich nichts Aufregendes. Spannend wird es dann, wenn diese beiden Aussageebenen sich in einer gewissen Weise "im Wege stehen". Das gibt es bei photorealistischen Arbeiten, Gottfried Helnwein, oder Chuck Close z.B. 

Beispiel 2: Auf dem Bild kontrastieren unterschiedliche Darstellungstendenzen. Am markantesten ist dieses Mischungsverhältnis bei dem Kontrast von Ikonischer DT und abstrakter bzw. ästhetischer DT. Dort, wo eindeutig der Akzent einerseits auf Ikonizität gelegt wird, dann in anderen Bildpartien die Ikonizität zugunsten abstrakter, vielleicht ungegenständlicher Anteile zurücktritt, wird dieser Kontrast anschaulich. Sehr häufig kommt dies vor bei Portraits, bei denen zum einen in der Gesichtspartie höchster Wert auf Ikonizität gelegt wird, im "nicht gemeinten" Hintergrund dann alles Ikonische zugunsten eines z.B. schwarzen Grundes verschwindet. 

Im alltäglichen Leben erfahren wir diesen Kontrast bei der Vermischung unterschiedlicher Wahrnehmungsebenen. Am deutlichsten bei der Halluzination, dort wo man nicht mehr weiß, "ob man träumt". 


8. Lage - Syntax - Komposition

Beschreibung des Tatbestandes:

Wir unterscheiden drei unterschiedliche Begriffe im Zusammenhang mit dieser bildnerischen Variablen: Lage, Syntax und Komposition.

Unter Lage verstehen wir die neutrale Bezeichnung des Tatbestandes, dass jedes Element, welches sich auf einem Bildträger befindet sich an einer bestimmten Stelle dieses Bildträgers befindet. Die Lage eines Elements kann man ebenso beschreiben, wie man die Position eines Ortes auf der Landkarte beschreiben kann. Die  Frage nach der Lage verwendet man, wenn man die spezifischen Lage-Eigenschaften untersuchen will, die ein Bildelement aufweist. 

Unter Syntax verstehen wir die (wertneutrale) Beschreibung der Zusammenhänge der Elemente auf einem Bild untereinander und im Zusammenhang mit dem Ganzen des Bildes. Es spielen hier auch die 'Gestaltgesetze' eine Rolle, da hier deutlich wird, dass es bestimmter Syntagmen bedarf, um aus Einzelelementen eine "Gestalt" zu machen. Die Gestalt, als ein auf Grund wesentlicher Eigenschaften wiedererkennbares Element, hat auch eine enge Relation zu den Aussageebenen. Um dies darzustellen, unterscheide ich (siehe den oben angebotenen Link "Syntax") zwischen einer "geschlossenen" und einer "offenen" Syntax. Dabei ist die geschlossenen Syntax abhängig von Regeln, die dazu dienen, Gestalten eindeutig, also in der Regel ikonisch (Realitätsaussage) identifizieren zu können und einer "offenen" Syntax, die weniger oder überhaupt nicht von evidenten Zuordnungsgesetzen lebt, sondern deren "Logik" ästhetischen, gestischen, tiefensymbolischen und abstrakten Erfordernissen folgt. 

"Komposition heißt die sinnvolle Zusammenstellung von Formkomplexen. Von Komposition sprechen wir, wenn Schwerpunkte und deutlich umschriebene Teilformen, die ihrer 'baulichen' Bedeutung nach die Gewichte im Bild bestimmen, ins Auge springen. .... K. ist 'mehr als nur ein Austarieren der äußeren Gewichte von Form und Farbe, von zeichnerischen Akzenten und malerischen Werten'. Komposition ist 'ein Vorgang, der immer mit dem formalen Aufbau zugleich den Inhalt, den Sinn des Bildes bedenkt' (Günter Busch über Bilder Max Beckmanns). ... ". (Pawlik, S.33)

Der Vorgang des Komponierens ist demnach ein eher bildimmanenter, bewusster Akt. 'Komposition' unterscheidet sich von 'Syntax' durch die besondere Zugehörigkeit zur Sprachsymbolik und steht damit in einer direkteren Affinität zur Aussageebene der Formulierung O'' und zum kulturellen Netz O''''. Damit birgt der Begriff der Komposition auch einen Anteil ästhetischer Wertung in sich. Auf der Aussageebene O'' ist eine Komposition zwar auf allen Darstellungstendenzen denkbar, auch wenn die sprachsymbolische Tendenz in der Regel dominiert (Komposition und Darstellungstendenzen). Dieser "Beigeschmack" an ein kulturelles Regelwerk führt dazu, dass heutzutage in der allgemeinen künstlerischen Auffassung das Komponieren eher zweitrangig geworden ist, von der Individual- und Tiefensymbolik herkommend hat heute die gestisch bestimmte "Setzung", die Aktion, auch das Zufällige einen oftmals höheren Stellenwert.

Ein weiteres kommt hinzu: Als bewusste Entscheidung ist das entstehende Beziehungsgeflecht der Komposition indexalisches (Super-)Zeichen für den Sender/Macher und für die Situation in der sich der Sender befindet. Es bildet also eine Situation ab.

Die Qualität kompositorischer Beziehungsstrukturen und was damit ausdrückbar ist, bzw. ausgedrückt wird, entsprechen entweder primären menschliche Erfahrungen im Umgang mit sich selbst und mit der Umwelt oder sind durch kulturellen Hintergrund gedeutete Erfahrungen. Senkrecht z.B. bildet eine physiologische Erfahrung, rechts-links eine zumindest teilweise kulturell gedeutete Erfahrung ab. Gleichzeitig ist rechts-links aber z.B. auch über die verschiedenen Funktionen der Gehirnhälften auch physiologisch unterschieden und dadurch unterscheidbar.

Wir fragen uns also im Folgenden, was kompositorisches "in Beziehung setzen" an (situativer) Wirklichkeitserfahrung abbilden kann. Die bildnerischen Variablen sind dabei gleichzeitig Möglichkeit und Begrenzung und deswegen Gegenstand dieser Gesamtuntersuchung.

Die Dinge der Welt erscheinen gefügt. Zusammenhänge haben für uns eine erkennbare Ordnung. Wir Menschen sind Teil dieser Lebenszusammenhänge, und damit auch Teil dieser (aus der Perspektive unserer Wahrnehmung) erkennbaren Ordnung. Ordnung gliedert Raum und Zeit in die Zukunft hinein. Es gäbe keinen Terminkalender, keinen Fahrplan ohne diese Vorstellung von Ordnung. 

Chaos dagegen wird definiert als die Unmöglichkeit der Voraussagbarkeit. Da, wo Voraussagen nicht mehr möglich sind, da handelt es sich um ein offenes System (die Mathematik spricht von "dynamischem System"). Von Chaos als unserer Form der Existenz auszugehen, bei der somit nichts wahrnehmbar aufeinander bezogen ist, "alles durcheinander" ist, ist Unsinn, da die höchst komplexen Zusammengehörigkeiten, Aufeinander-Angewiesenheiten, denen wir unterworfen sind nichts von dieser Art von Chaos erkennen lassen. 

Diese offenbare Gefügtheit unserer realen Welt erlebt im Kopf des Menschen ihre Abbildung als Ordnung, als Fügung, als Bestimmung, Berufung und was solcher Worte mehr sind. Dies gilt solange als dies nicht durch pathologische Zustände, Schicksalsschläge, Katastrophen unmöglich gemacht wird. Diese Ordnung ist für uns lebensnotwendig, die Abhängigkeiten, die wir als Menschen erfahren, finden in gedanklichen Systemen ihre Abbildung, die als Philosophie, als Religion, als Recht und Ordnung, als Moral und Ethik usw. unser Leben und unser Denken bestimmen - eben, wenn nichts dazwischenkommt, was eine "angemessene" Abbildung erschwert oder unmöglich macht.

Der Kopf kann die Zusammenhänge der Dinge nur wieder abbilden, wie diese in ihn hineingekommen sind. Hinein kommen sie auf mehrerlei Wegen:

1. Abgesehen davon, dass bestimmte existentielle Konstanten bereits dem Menschsein als solchem zugehören und deswegen nicht "gelernt" werden müssen wie z.B. Stoffwechsel, Blutkreislauf, Schwerkraft etc., werden andere Zusammenhänge gelernt durch direkte Erfahrung, also den Umgang mit der "gefügten" Wirklichkeit.

2. Durch die Deutung dieser Wirklichkeit im Vollzug von Sprache, die "allgemeines" gesellschaftliches Bewusstsein abbildet, im besonderen das der tatsächlich erlebten Bezugspersonen (Eltern, Erzieher, Freunde...). Hier ist das Feld der sozio-parentalen Kommentierung also des primären Lernens auf der tiefensymbolischen Wahrnehmungstendenz. Die Sprache kann die Gefügtheit der Dinge für die Wahrnehmung "richtig" abbilden oder auch stören oder verhindern. Je weniger ein Umgang mit direkter Erfahrung möglich ist, um so mehr muss man den Deutungen der Sprache Vertrauen schenken. Um so größer sind also auch die Fehlerquellen. (Dies ganz besonders dann, wenn wie z.B. beim Säugling Erfahrungen noch nicht ausreichend mit Umwelt gemacht worden sind. Aber auch beim allzu großen Einfluss sog. Massenmedien. siehe auch "Gewährsmannprinzip")

Alle Deutungen unterliegen den Interessen und psychischen Voraussetzungen derjenigen, die diese Deutungen vornehmen (O'). Um diese Deutungen wirksam werden zu lassen, müssen sie an Macht gebunden sein. Diese Macht kann von Institutionen ausgehen aber auch von Personen. Ein Lehrer z.B. kann Deutungen nur deswegen verbreiten, weil er eine Funktion in der institutionellen Macht der Schule vertritt. Ebenso der Pastor in der Kirche und der Professor in der Universität. Um diese Funktionen auch mit Macht auszustatten gibt es ein Reglement (z.B. Prüfungen oder Gesetze), welches die Kontinuität von Deutungen garantiert. Wir haben hier genau das sprachsymbolische Wahrnehmungsmuster auf der Ebene des kulturellen Netzes vor uns. Auf diese Weise werden Vorstellungen von Ordnungen und Zusammenhängen in den Vorstellungswelten der einzelnen Menschen gefestigt. Diese Deutungen können der menschlichen Ordnung im Sinne einer existentiellen Konstanten entsprechen oder auch nicht. So entstehen Ideologien. Die Zeichenkritische Theorie geht davon aus, dass sich Ordnungen nur dann über lange Zeiträume hinweg erhalten können, wenn zumindest wesentliche Anteile daran im Sinne der existentiellen Konstanten "stimmen".  

Die Vorstellungen von Ordnungen bestimmen dann auch die Handlungen der Menschen. Somit können Handlungen, die als materielle Wirklichkeit (O'') dem Menschen wieder entgegenkommen, Gefügtheit (O) abbilden, oder sie können Gefügtheit im Sinne von Ideologien darstellen (z.B. englische und französische Parks). Um Gefügtheit angemessen zum Ausdruck kommen zu lassen muss man diese erkannt haben und sie zulassen. Ansonsten kann nur das Bild einer unangemessenen Abbildung dabei herauskommen. Ist die Gefügtheit jedoch erkannt, kann O'' als Sprache (Mitteilungen/Handlungen) angemessen die Situation (O) zum Ausdruck bringen.

Es gibt somit offenbar eine Sprache um die Gefügtheit von O angemessen darzustellen. Diese kann sich bei einem Bild z.B. in der Komposition ausdrücken.

Eine Komposition kann also das Bild der Gefügtheit, der Ordnung der tatsächlichen Zusammenhänge sein, oder sie ist die Abbildung eines ideologisch konstruierten "Relativismus", also der Versuch, durch das "Machen" einer Komposition "Gefügtheiten" der O'-Ebene (mit den ganzen möglichen Fehlerquellen) als "Abbildung" von O auszugeben.

Aber auch bei einer "unangemessenen" Komposition gibt es die Möglichkeit die Komposition dann als das Abbild dessen aufzufassen, wie eben im Kopp des Senders die Dinge gefügt erscheinen. Damit hat dann das Studium der Komposition wieder indexalischen Charakter für die Person, die das Bild hergestellt hat.

Wie kann man nun die unterschiedlichen Möglichkeiten einer Komposition erkennen? Das ist im Sinne der Zeichenkritischen Theorie nur mit der Rezeptionstendenz zu erfassen. Und hier ist die individuelle Rezeptionstendenz eines jeden Betrachters gefragt. Wie aus der Beschreibung der acht unterschiedlichen Tendenzen hervorgeht, kann nur die abstrakte Rezeptionstendenz Zugang zu dieser Frage bieten. Man kann nur das auf einem Bild sehen von dem man auch eine Vorstellung hat. Die abstrakte Darstellungstendenz kann dennoch - da sie existentielle Konstante zum Schwingen bringen kann - ein Empfinden des Stimmigen hervorrufen. Wenn wir doch nur dieses wirklich "Stimmige" von Formalismen aller Art unterscheiden könnten! Da wir uns häufig nicht zutrauen, dieses Stimmige tatsächlich erkennen zu können, überlassen wir uns in unserer Urteilsbildung doch lieber den Fachleuten. Und schon sind wir wieder bei den Ideologien oder zumindest bei deren möglicher Wahrscheinlichkeit. Circulus vitiosus - nur die Lebenserfahrung ist vielleicht Gewähr für Gewissheit.


8.1. Lineares System

Das rechteckige Format hat vier Seiten, die paarweise aufeinander bezogen sind. Die Schnittpunkte der vier Seiten bilden vier Punkte, die Ecken des Formats. Diese Punkte beziehen sich wieder alle aufeinander. Davon sind jeweils zwei durch die Begrenzung des Formats tatsächlich miteinander verbunden, die Punkte in der Diagonalen sind ideell miteinander verknüpfbar. Dieses Format wird also von ideellen Diagonalen in vier Dreiecke unterteilt. Der Schnittpunkt der Diagonalen bildet den ideellen Mittelpunkt des Formats. Dieser Punkt ist wieder durch Attraktion mit den Seiten des Formats verbunden die markanteste Beziehung herrscht als Parallele in den Seiten, so dass von dem ideellen Mittelpunkt eine ideelle Waagrechte und Senkrechte entsteht. Dadurch entstehen wieder vier Bildfelder in Form von dem Format ähnlichen Rechtecken. Diese Unterteilung bringt eine klare Symmetrie mit sich. Die Senkrechte und die Waagrechte schneidet die Umrissgerade des Formats in der Mitte, dadurch entstehen wieder Punkte, die miteinander verbunden, eine auf einem Punkt stehende Raute ergeben. Nach dem Gesetz der Nähe (je näher zwei gegenseitige Attraktoren zueinander sich befinden, um so deutlicher wird die ideelle Beziehung) kann man sagen, dass der ideelle Mittelpunkt deutlicher zu den Seiten des Rechtecks tendiert als zu den Eckpunkten. Diese allerdings sind materiell vorhanden, so dass die Beziehung Mittelpunkt-Ecke eine gemischte Form ist aus reeller und ideeller Punktbeziehung. Der dynamische Bezug ist so materiell vorgeprägt , der statische ist rein ideell, allerdings ist der statische vehement vorhanden in den Begrenzungslinien des Formats. Von der Grenze des Formats aus gedacht ist der statische Bezug der aktivere, vom ideellen Mittelpunkt her gedacht ist der dynamische Bezug das Aktivere.

Nach dieser Beschreibung des linearen Systems eines Rechtecks, die Frage, was diesem als Lebenserfahrung entspricht. Klar, waagrecht-senkrecht ist eines der bestimmendsten Wahrnehmungszusammenhänge, in denen wir uns bewegen. Die Fläche auf der wir stehen ist tendenziell immer als Waagrechte erfahrbar, unsere eigene Position dazu als Senkrechte. Wenn der Schwerpunkt sich verlagert, dann entsteht eine dynamische Tendenz, die in der Schrägen sich zeigt. Erst durch Verlagerung unserer Körperrichtung in die Schräge sind wir in der Lage uns zu bewegen. 

Das Zentrum - nur imaginär - ergibt sich aus den Diagonalen, das Zentrum, welches man als das eigene Subjekt erlebt und kennt. Allerdings eben nur imaginär, da das Zentrum sich erst durch die Begrenzungen des Umfelds ergibt. Man könnte daraus schließen, dass sich auch das Ich erst durch die Begrenzungen ergibt, durch die das Zentrum bestimmt wird. Die entstehenden Dreiecke, die oben beschrieben wurden sind die Richtungen, in die das Subjekt sich ausbreiten kann: Links, rechts, oben und unten. Etwas bei dieser Ordnung ist erstaunlich: Diese Zuordnung der Richtungen als waagrecht und senkrecht geschieht auch, wenn die Linien allesamt in Wirklichkeit waagrecht sind, also, wenn dieses Rechteck auf dem Boden liegt. Die Parallelität jeweils der gegenüberliegenden Seiten intensiviert diese Seiten in ihren Richtungstendenzen, die ganze Bildfläche wird von diesen zwei Tendenzen durchdrungen. Dabei erscheint das "Senkrechte" aktiver, das "Waagrechte" passiver. Der Mittelpunkt wird somit nicht nur gebildet aus der Kreuzung der Diagonalen, sondern auch aus der Gesamtorientierung in die Breite und in der Höhe des Formats. Der Mittelpunkt als das Zentrum der sich durchdringenden Kräfte. Das Ich überhaupt erst denkbar im Kräftespiel von Gemeinschaft und Kultur. 

Entstanden durch die Diagonalen bezogen auf den Mittelpunkt gleichschenklige Dreiecke in der Ausrichtung waagrecht-senkrecht, dann entstehen jetzt Vierecke, die sich den Diagonalen zuordnen. Interessant, dass somit neue statische Formen - die Rechtecke - in den dynamischen Richtungen auftauchen. das Statische und das Dynamische entstehen auseinander. Ruhe und Aktivität gehören zusammen. 

Gleichzeitig entsteht eine Balance, die sowohl statisch als auch dynamisch im Format wirken. Dazu das aktiv Statische und das passiv Statische. Alle diese Beziehungen finden sich im Format wieder. Die sichtbaren Elemente dabei sind die statischen Beziehungen, die dynamischen Beziehungen wirken zunächst im latenten Bereich. Ohne weitere Konkretionen auf dem Bild entspricht dieser Zusammenhang einer erwartungsvollen Spannung, so etwa wie man im Theater sitzt und darauf wartet, dass der Vorhang aufgeht. 

Wir sehen im Zusammenhang eines Bildes die eine oder andere dieser Konkretionen des linearen Systems realisiert. Damit entsteht das stofflich Ablesbare zusätzlich zu dem, was nur gedanklich "virtuell" existiert in Linien, die durch eben die beschriebenen Kräfteverhältnisse anwesend sind. In diesem Zusammenspiel der konkretisiertren und der nur denkbaren Kräfte entsteht eine der wesentlichen kompositorischen Wirksamkeiten. 


8. 1. 1.Kompositionslinien

David, Der ermordete Marat (1793, Musées Royaux des Beaux-Arts, Brüssel),

Aus dem eben Entwickelten ergibt sich für die Kompositionslinie selbst Ähnliches: Die Kompositionslinie ist fast immer nur teilweise materialisiert. Viele Teile einer Kompositionslinie verschwinden quasi unter der Bildfläche, sind aber als ordnendes Prinzip in ganz wesentlicher Weise bei der Wirkung eines Bildes anwesend. Das Bild erhält einen wesentlichen Teil seiner Wirkung aus den Attraktoren die durch ordnende Punkte und Linien entstehen. Ich habe versucht, dieses Prinzip bei der "Form" deutlich zu machen. Die Kompositionslinien unterstützen oder modifizieren das lineare System, das dem Bild seinen hauptsächlichen kompositorischen Charakter gibt.

Beim Beispiel oben sehen wir das Bild von Jacques David 'Tod des Marat'. Das lineare System basiert eindeutig auf einer Waagrecht-Senkrecht Ordnung. eine fallende Schräge geht in die rechte untere Ecke, eine wesentlich undeutlichere ansteigende Diagonale gibt das entsprechende Gegengewicht. 

Dieses Bild kann man dann vielleicht so erleben, dass die waagrecht-senkrecht Struktur die Endgültigkeit der Situation einerseits, andererseits aber auch das gebannte Warten darauf anzeigt, was jetzt kommen wird. Dem entsprechen die unterschiedlichen Schrägen, fallend die dominantere, steigend die Hoffnung, die sich irgendwie noch zeigt. 

…Die Französische Revolution eröffnete Marat neue Möglichkeiten: Mit seinen heftigen, von maßlosem Hass geprägten Attacken auf das absolutistische System und auch das gemäßigte Bürgertum schwang er sich rasch zu einem der radikalsten Führer des Pariser Volkes auf. Ab September 1789 gab er eine Zeitung heraus, den Publiciste Parisien, den er wenig später in L’Ami du Peuple (Der Freund des Volkes) umbenannte. L’Ami du Peuple wurde bald Frankreichs einflussreichste und gefürchtetste radikale Zeitung. … er veröffentlichte die Namen von so genannten Volksfeinden und deren „Vergehen” und lieferte sie damit der Rache des Volkes aus; den politischen Massenmord und die gewaltsame Revolution von unten propagierte er als legitime Mittel in der politischen Auseinandersetzung. Nach dem Sturz der Monarchie im August 1792 schloss er sich den radikalen Jakobinern um Georges Danton an. Wenig später setzte er seine Forderung nach politischem Massenmord in die Tat um: Die Septembermorde waren im Wesentlichen von ihm initiiert. Als Mitglied des Nationalkonvents und Präsident des Jakobinerklubs drängte Marat zu diktatorischen Maßnahmen, um die Revolution zu verteidigen, und führte einen fanatischen Kampf gegen die gemäßigten Girondisten, der im Sturz der Girondisten im Mai/Juni 1793 gipfelte. Wenig später, am 13. Juli 1793, wurde Marat, der den Gemäßigten unterdessen als Symbol der Auswüchse und Schrecken der Revolution galt, von Charlotte Corday, einer Anhängerin der Girondisten, im Bad erdolcht. (Microsoft® Encarta® Professional 2002. © 1993-2001 Microsoft Corporation. Alle Rechte vorbehalten.)

Interessant sicher auch, wo, an welchen konkreten Stellen eine Kompositionslinie sich zeigt, bzw. sich sogar mehrere bündeln: hier ist auffällig, dass die beiden Ellenbogen durch mehrere Kompositionslinien markiert sind, weniger überraschend die Hand. Und dass das Messer auf die Hand verweist, eine Hand die den Tod vieler Menschen verursacht hatte, ist eine ganz am Rande liegende Auffälligkeit. David, selbst doch Jakobiner und im Nationalkonvent Mitglied, war mit Marat selbstverständlich eng vertraut, die vielfachen leichten Schrägen, die immer noch den Anflug von Dynamik in sich tragen erklären, dass wir dieses Bild eher als das Sinnbild eines schlafenden Unsterblichen erleben, den als das eines Toten .


8. 1. 2. Richtungen:

Otto Dix, Streichholzhändler I, 1920, Öl auf Leinwand, 141×166 cm; Stuttgart, Staatsgalerie

Dieses Bild von Otto Dix steht hier als Beispiel für die Dynamik von Richtungen in einem Bild. Im Gegensatz zu einer Linie hat eine Richtung immer eine Bewegungstendenz. Es geschieht etwas. Diese Richtung kann von der motivlichen Syntax her verstanden werden wie im Falle des Bildes von Otto Dix, aber auch durch die sich entwickelnden Dynamiken der bildnerischen Variablen selbst. Hier ist natürlich die ungegenständliche Malerei besonders aufschlussreich. 

Jede Form hat bereits für die Wahrnehmung erkennbare Richtungen.

Jede Spur hat bezogen auf das Format bestimmte, eindeutige Richtungen. Diese hängen ab von vektoriellen Kräften in den Flächen, von Intensitäten, von Helligkeit und Prägnanz.

Wir haben Empfindungen von Hängen, Schweben, Fallen, diese Wahrnehmungen erleben wir bei den Richtungstendenzen im Zusammenhang der Gesamtsyntax.

Man kann ein Format auf den Kopf stellen (Kandinsky, Baselitz), dann werden die Richtungen in ihrer Tendenz verändert. 


waagrecht

Die Waagrechte ist von der Erfahrung her der Boden auf dem wir stehen, ist der Horizont, ist die Körpererfahrung des Liegens. Die Schwerkraft ist die Gegenkraft zur Waagrechten, mit dieser ist sie direkt verbunden. Die Einflüsse der Schwerkraft sind bei der Waagrechten am deutlichsten: Keine Gegenkraft ist wirksam bis auf die Masse (die der Schwerkraft physikalische Grenzen setzt. - Man kann nicht durch das Bett hindurchfallen, man kann nur aus dem Bett fallen.) Die Waagrechte ist auch die undynamischste Richtung, die tendenzielle Ausbreitung in die Weite ist nicht als Bewegung zu verstehen, sondern als Dimension der Dauer. Die Waagrechte ist somit eine statische und gleichzeitig eine passive Ausrichtung. (passive Statik)

senkrecht

Die Senkrechte ist die Ausrichtung, die von unten nach oben oder von oben nach unten führt. Sie ist die Richtung, die sich von der Bodenfläche erhebt, die in einen unendlichen Raum verweist. Vom körperlichen zum geistigen Prinzip. Auf der anderen Seite ist die Senkrechte ebenso wie die Waagrechte statisch, auch hier ist nur eine Unendlichkeit als Weiterführung der Richtung denkbar, also ein geistiges Prinzip. Durch unsere Körpererfahrung wissen wir die Senkrechte als Stehen zu deuten: das Stehen, das statisch ist aber mit eigenem Energieaufwand hergestellt werden muss. Eine Aktivität in der Senkrechten somit eigen. (Aktive Statik).

schräg

Die Schräge ist das Moment der Dynamik. Bewegung kann nur durch Schräglage erzeugt werden, Gewichtsverlagerung: Der Schwerpunkt "fällt aus dem Bett" (s.o.). Solange die Schräge noch durch Masse unterhalb des Schwerpunktes gestützt wird, (Standbein-Spielbein), ist keine Dynamik als Bewegung erfahrbar, allerdings als mögliche Bewegung, denn die Tendenz ist ja bereits angedeutet.

steigend

Eine Schräge, die von links unten nach rechts oben verläuft empfinden wir als steigend. Von der Leserichtung eines Bildes ausgehend (von links nach rechts) ist die Richtung bestimmt. (Darstellung von Erfolgskurven). Inwieweit dieses Phänomen kulturell bedingt ist, soll hier nicht geklärt werden. (siehe auch weiter unten 'Bildfelder').

fallend

Die Schräge, die von links oben nach rechts unten tendiert ist fallend. die Hinweise folgen dem Beispiel für steigend.

Mischungen

Durch ikonische und abstrakte (Achsen-)Merkmale kann die Tendenz der Richtung verändert werden. Schwerpunkte, oder auch Handlungsachsen können der abstrakten Richtung entgegenarbeiten. Der von rechts oben nach links unten verweisende Arm ist deutlich etwas anderes, als der von links unten nach rechts oben weisende. (Jener verdammt, dieser weist in die Zukunft...)

Zick-Zack

Die Zick-Zack Linie ist eine Zusammensetzung aus steigend und fallenden Richtungen. Durch die sich bildenden Spitzen bekommt diese Linienform eine Konnotation der Aggressivität.

Kurven

Jede Kurve hat ein Zentrum oder einen Brennpunkt, auf den sie verweist. In der Regel hat die Kurve immer eine Affinität zum Kreis. Zusammengesetzte Kurven haben etwas Unschlüssiges (torkeln), aber auch etwas endlos Bewegtes (Meeresoberfläche). 

Kreis

Der Kreis ist ein in sich geschlossenes System, in sich ruhend; auch durch Bewegung verändert sich seine Form nicht. Er tendiert seinem Zentrum entgegen. Dieses Zentrum ist gleichzeitig der Schwerpunkt, der durch die unterstützende Masse gehalten wird. Der Kreis kann nie aus dem Gleichgewicht kommen. Der Kreis birgt, und der Kreis schließt die Elemente aus, die sich außerhalb der Kreisform bewegen. Der Kreis hat aber auch eine Tendenz nach außen, strahlend, und anziehend gleichzeitig. Der Kreis ist die Sonne, mit Energie ausgestattet, darin liegt seine Dynamik, und in der Unveränderbarkeit liegt die Ruhe. Der Kreis verliert nie seine Mitte.

Oval/Ellipse

Das Oval ist ein Kreis, der zusätzlich der Kreisform eine Richtung gibt. Das Oval ist labiler als der Kreis. Die zwei Zentren, Brennpunkte, die sich ergeben bei der Ellipse besitzen einen Antagonismus. Der Mittelpunkt des Kreises teilt sich in zwei. Wie bei der Eizelle, die sich teilt. 

Welle

Das konkave und das konvexe Spiel der Formen deutet auf eine Aufhebung der starren Kreisform hin, Außen und Innen stehen sich gegenüber. (Die Delle und die Beule). Dadurch kommt es zu einem Wechsel der Kräfte, rhythmische Veränderungen kommen zustande, Sog und Druck.

Spirale

Aus dem geschlossenen System des Kreises wird das offene System der Spirale.


8. 2. Bildknoten

Ludwig Meidner, Ich und die Stadt, 1913, Öl auf Leinwand, 60 × 50 cm, Privatbesitz

Unter 'Bildknoten' verstehe ich die Bündelung von Kompositionslinien an einem Ort oder einem Zentrum. 

Sind diese "Knoten" realisiert, also als Bildelement vorhanden, dann können die Linien, die diese Knotenpunkte in Erscheinung treten lassen, auf diesen Knotenpunkt zu laufen, oder von ihm ausgehen. Dies ist im Einzelfall zu untersuchen.

Kompositionslinien können sich auch an einer Stelle schneiden, an der kein Bildmotiv auf diesen Schnittpunkt verweist. Dann ist die Wirkung das Knotens weniger sichtbar, aber die Linien führen dann eindeutig auf diesen Punkt zu. Knotenpunkte werden in der künstlerischen Praxis als etwas bezeichnet, das man meiden solle, da es das Auge unangenehm an einem Punkt fixiere. Wenn der "Knoten" alle Bilddynamik auf sich vereinigt, kann er kaum noch über sich hinausführen. Beim Beispiel von Meidner ist dieses aber gerade gewollt. 

Die Bestimmung von Knotenpunkten in Bildern lässt vielfach erkennen, wo das eigentliche Motiv des Bildes sich befindet oder auch das "Bildsubjekt". Aus Verdichtungen können so auch Zentren werden, die dann mit möglichen anderen Zentren eine Beziehung eingehen können. Auch hier ist wieder die "Attraktivität" von Punkten wichtig, wie beim Thema "Form-Punkt".

Zur Öffnung kommt es dann, wenn von der Verdichtung ausgehende Richtungen aktiv sind; die von einem Punkt ausgehenden Strahlen öffnen sich. Offen kann eine Komposition aber auch dann sein, wenn sie keine Verdichtungen hat. Öffnungen bleiben unbestimmter, "bleiben offen", eine Festlegung geschieht nicht. Der Betrachter der Öffnung kann selbst eigene Akzente setzen.

Wir kennen diese "Knoten" aus dem Empfinden heraus, dass sich etwas zusammenballt, dass "etwas vor der Tür steht", etwas hat eine "dichte Atmosphäre", auch so etwas wie "ein Unglück kommt selten allein" hat Affinität zu diesem Thema.


8. 3. Menge

Menge ist eine Kategorie der Wiederholung. Allerdings kommt selten ein Element in der exakt gleichen Form vor wie vorher, außer vielleicht bei einem Rapport (z.B. Tapete, Ornament). Durch die kleinen Unregelmäßigkeiten wird das Auge gelenkt, es wird immer wieder neu angeregt die Unterschiede wahrzunehmen. Man kennt das, wenn man etwas immer wieder aufs Neue macht - und eben nicht genau so wie immer. Menge gibt auch eine neue Einheit, Ähnliches fügt sich zusammen.  


8. 4. Bildfelder

Die beim Format angesprochenen Bildfelder haben zusätzliche Bedeutungskomponenten. Die untere Hälfte eines Formats ist prinzipiell von der oberen unterschieden, ebenso wie die rechte von der linken. Diese Unterschiede sollen hier untersucht werden.

8. 4. 1. oberes Bildfeld

Gustave Courbet, Das Atelier des Malers, 1855, Öl auf Leinwand; 361 × 598 cm, Paris, Musée d'Orsay (obere Hälfte)

Das Oben ist der Himmel, ist die Öffnung, ist das geistige sich Entfernen von der Erdenschwere (der Kopf ist oben). Das Oben ist auch die Übersicht und die Ungebundenheit. Die Senkrechte ist die Verbindung von unten und oben oder auch von oben mit unten, je nach Richtung der Bewegung, "Zurück auf den Boden" oder auch zur "grenzenlosen Phantasie"... "Die Gedanken sind frei". Oben herrscht der Geist, ist Weite, ist Raum. 

8. 4. 2. unteres Bildfeld

Gustave Courbet, Das Atelier des Malers, 1855, Öl auf Leinwand; 361 × 598 cm, Paris, Musée d'Orsay (untere Hälfte)

Das untere Bildfeld ist der Boden, ist das "Unten", entweder als Boden oder auch als Richtung der Schwerkraft. Unten gibt Stand und Sicherheit, es verbindet mit dem Grund. Schwere, Masse, Erde, sind die Konnotationen dieses Bereiches. Unten geschehen die irdischen Dinge.

Wertigkeiten: Je nach persönlicher Einstellung kann entweder das obere oder das untere Feld das "wichtigere", das Positive sein. Oft ist das obere Feld mit einer positiven Wertigkeit belegt. Dies könnte daher kommen, dass ein Bild Korrelat des Geistigen ist, also auch das 'geistige Feld' positiver eingestuft wird. Bilder haben etwas mit Phantasie zu tun, mit "Künstlerischer Freiheit" (ob sie deswegen dem Boden der Wahrheit näher kommen sei dahingestellt). Allerdings sind auch die unter "Richtungen" beschriebenen Phänomene Hinweis auf eine solche Wertigkeit. (Nach Oben geht's ins Positive, nach unten in den Keller... "über den Wolken ist die Freiheit grenzenlos...")

Bezogen auf das Bild von Courbet erscheint der Kontrast von oben und unten schon sehr auffallend, bis dahin, dass das obere Feld kaum Informationen aufweist, vielleicht ist es das noch nicht Realisierte, das, was erst im Geistigen sich befindet, unten dagegen tobt das Leben in all seinen Facetten, Leid und Elend, Macht und Reichtum, und als zentraler Punkt der Künstler, der dies alles in seinem geistigen Auge sieht und konkretisiert. 

8. 4. 3. Links/rechts

Geht man von der Leserichtung unseres Kulturkreises aus, dann liest man von links nach rechts, links also der Anfang der Zeile, rechts ihr Ende. Überträgt man das Bild des Lesens auf einen Bildgegenstand, dann bedeutet links auch da wo man herkommt, das, was man schon weiß (weil man's ja schon gelesen hat) rechts ist das Neue, das Unbekannte, die Zukunft. Links dagegen die Vergangenheit. Von der Physiologie her ist das Linke etwas anderes als das Rechte (Rechtshänder), die Gehirnhälften unterscheiden sich in ihrer Funktion. Links das intelligente, rechts das rationale, links das emotionale, rechts das ordnende. Die Parteienbezeichnung 'Links' und 'rechts' ist ebenso eine kulturgeschichtlich interessante Situation. Untersucht man Landschaftsbilder auf denen so etwas wie Lichteinfall, Sonne, auch Wege und Öffnungen zu erkennen sind, dann ergibt sich, dass bei einer deutlich größeren Anzahl von Bildern diese Elemente sich rechts befinden. Sozusagen das Verheißungsvolle, das positiv Besetzte, Zukunftsweisende und Angenehme. Auch beim Portrait kann man etwas Ähnliches beobachten: Das Profil nach rechts kommt häufiger vor, hat einen eher forschen, zukunftsweisenden Ausdruck gegenüber dem Profil nach links, welches häufiger nachdenklich wirkt. Selbstverständlich kann man dies sicherlich nicht als Gesetzmäßigkeit formulieren, zu viele Elemente kommen hinzu, die Persönlichkeit des Malers, kunstgeschichtliche Einflüsse usw. Dennoch wird dem sensiblem Betrachter ein deutlicher Unterschied auffallen bei diesem polaren Verhältnis. 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Bei der Untersuchung der beiden Hälften des Bildes von Courbet erscheinen eben solche Zusammenhänge in der Verteilung von links und rechts: Die rechte Seite ist besetzt mit der "positiven" Menschengruppe (allerdings - oder gerade - nach links blickend), ein beleuchteter Ein- oder Ausgang gibt ein wesentliches Licht für das Bild, die linke Seite ist bevölkert mit den armen Leuten, den Statisten, ein Gekreuzigter ist zu erkennen, und ein Kind, welches - schon sehr nahe dem Zentrum - ungeheuer gebannt nach rechts schaut... Die nackichte Dame, von der man überhaupt nicht weiß (ohne Kenntnis der besonderen Allegorien), weswegen sie als Aktmodell herumsteht schaut sehnsüchtig nach links, vielleicht eingedenk besserer Tage, als man sich noch um sie kümmerte.

Solche Konnotationen können sich beim Betrachten des Bildes einstellen, ob diese dann mit amtlich beglaubigten Deutungen dieses Bildes übereinstimmen mag zu überprüfen sein, sichtbar werden sollte hier nur, welche Zusatzinformationen das Spiel mit rechts und links mit sich bringen kann. 


8. 5. Symmetrie

Hiltraut Pietsch, o.T.

Symmetrie gibt den beiden Hälften erst einmal die gleiche Wertigkeit. Rechts und Links sind ebenbürtig, sind ihre jeweiligen Spiegelbilder. 

Uns ist Symmetrie äußerst geläufig, sind wir doch selbst in unserem Körperbau weitgehend symmetrisch gebaut, auch wenn eben doch ganz entscheidende Unterscheide bestehen. Wenn man die beiden Körperhälften genau betrachtet gibt es ganz entscheidende Unterschiede in den Proportionen. 

Dieser Trick ist altbekannt: man nimmt die jeweiligen Hälften eines Gesichts, und spiegelt sie so dass scheinbar wieder ein ganzes Gesicht dabei zu sehen ist. Man ist immer wieder überrascht, wie sehr die Gesichtshälften differieren. Selbst bei diesem Top-Modell, die ja besonders ebenmäßige Gesichtszüge haben, ist der Effekt noch beachtlich. Eben diese Asymmetrie ist das Interessante an der Symmetrie. Zu diesem Beispiel eine wissenschaftliche Beobachtung: 

"Symmetrisch ist sexy", Artikel zu Studie Wissenschaftskongress Seattle; Weserkurier vom 16.2.97: "Vorraussetzung für den Erfolg eines Mannes sei zum Beispiel, dass seine Augen, Ohren und Mundwinkel auf imaginären Linien liegen. Aber Frauen nähmen auch wahr, wenn der restliche Körper spiegelbildlich harmoniert ... Symmetrie stehe für sexuelle Attraktivität - beim Mann. Dagegen schlagen Frauen aus der Symmetrie ihres Körpers so gut wie kein Kapital, .... (Dies)... wurde laut Thornbill auch in knapp 50 Untersuchungen bei mehr als 40 Tierarten bestätigt. ..."

Wenn man mit dem Gedanken der "Zeitschiene von links nach rechts" an diese Frage herangeht könnte man vermuten, dass Frauen in der Symmetrie beim Mann die Konstanz schätzen, die Verlässlichkeit in der zeitlichen Dauer. Symmetrie lässt die Zeit in den Hintergrund treten, macht aus Zeit Dauer, wenn nicht Unendlichkeit. Viele Symbole, die Konstanz mittransportieren sollen sind symmetrisch. Das Kreuz, die Pyramide, Das Dreieck für die Dreieinigkeit, die Rosette, das Pentagon, der Dreizack, der Lebensbaum, das Herz usw. Symmetrie hat etwas von Ewigkeit, hat den Anspruch auf die Nähe Gottes oder zumindest von Mutter Natur...