7. Kontrast
Beschreibung des Tatbestandes:
Unter Kontrasten verstehen wir (deutlich)
wahrnehmbare Unterschiede zwischen zwei benachbarten Zonen. Diese Kontraste
können durch alle möglichen bildnerischen Elemente realisiert werden.
(Hell/Dunkel, Farbkontraste, Formkontraste, Richtungskontraste, auch
Spurkontraste, Materialkontraste z.B. als Mischtechnik, und Kontraste auf der Ebene
der Zeichenaspekte z.B. ikonisch-abstrakt (flächig-räumlich), oder
ikonisch-symbolisch (surrealistische Collage), oder auch gestisch-ikonisch
(gestisch als indexalischer Zeichenaspekt wie bei den Fotoübermalungen von Arnulf Rainer)
Die Sinnesphysiologie ist darauf angelegt,
insbesondere Kontraste wahrzunehmen. Kontrast erhöht die Aufmerksamkeit.
Prägnante Kontraste sind für die ästhetische Wirkung besonders wichtig. Sie
geben dem Auge Anlass das Besondere im Umfeld des Allgemeinen auszumachen. Nur
über Kontraste können wir die Dinge unterscheiden. Kontraste sind,
wenn sie sehr intensiv in Erscheinung treten, Kennzeichen tiefensymbolischer
Wahrnehmung. Daher kommt der Schreck; die unerwartete Veränderung im Leben
durch Tod oder Unglück macht alles "plötzlich ganz anders";
"aus etwas herausgerissen werden", mit Sicherheit ist schon die Geburt
eine der ersten elementaren Kontrasterfahrungen. Wir haben mit den
Kontrasterfahrungen vielleicht die elementarsten existentiellen Konstanten im
Blick. Hunger und Sättigung, müde und wach, warm und kalt, die ganze Serie
polarer Befindlichkeiten taucht hier auf.
Sind die Kontraste eher
schwächer oder haben wir es mit immer
wiederkehrenden Information zu tun, werden diese zwar nach wie vor wahrgenommen,
können sich aber der Aufmerksamkeit entziehen gemäß den Überlegungen zur
Ikonizität. (Nicht die
"Reizschwelle" wird erhöht, sondern die Information wird nicht mehr bewusst
wahrgenommen, da sie "bekannt" ist.)
Beim Betrachten von Bildern erfassen wir auch diese nur
über deren Kontrastwirkungen. Die Kontraste und deren Erscheinungsform lässt
beim Betrachter die existentiellen Konstanten anklingen und gibt dem Bild von
daher eine bestimmte Tendenz.
7.1. Farbkontraste
Beschreibung des Tatbestandes:
Unter den Bildkontrasten nehmen die
Farbkontraste eine besondere Stellung ein. Viele Künstler und
Wissenschaftler haben sich zu Farben und deren Wirkungen geäußert. Besonders
bekannt sind die Farbenlehren von Johann Wolfgang von Goethe und Philipp Otto
Runge, aber schon in der Antike versuchten Aristoteles und Plinius
Farbphänomene zu untersuchen, in der Renaissance waren dann die Vorreiter in
dieser Disziplin Leonardo da Vinci und Albrecht Dürer. Auch Schopenhauer hat
sich mit Farbphänomenen beschäftigt, und natürlich eine Menge
Naturwissenschaftler, insbesondere die Physiker Isaac Newton, Hermann F.
L. von Helmholtz, J. C. Maxwell, Wilhelm Ostwald, und der Chemiker M. E.
Chevreul. Unter den Künstlern haben sich neben Runge besonders Adolf Hölzel,
Johannes Itten, Paul Klee, Wassily Kandinsky, und sicher auch Van Gogh
hervorgetan. Das Werk "Interaction of Colours" des ehemaligen
Bauhaus-Lehrers Josef Albers hatte großen Einfluss auf die Kunst der 60er Jahre
des 20. Jahrhunderts.
Farbe ist von ihrem Wesen her immer
flächig. Farbe lebt nur aus dem Kontrast mit einer anderen Farbe. Eine Linie
braucht, um in ihrer Farbwirkung in Erscheinung zu treten, eine bestimmte
Breite, tendiert also auch zur Fläche.
Die Linie kann
kaum als Farbe identifiziert werden im Gegensatz zur Fläche.
Farbe kann natürlich auch zum Hintergrundsweiß
kontrastieren, so dass wir den Eindruck haben, als stünde die Farbe ohne Bezug
zu einer anderen Farbe auf der Fläche. Wir können dann von der
"Buntwirkung" der Farbe sprechen. Dieses Phänomen beschreibt Itten
mit dem Begriff "Farbe-an-sich-Kontrast". Ist das umgebende Feld z.B.
Grau, dann tritt bereits eine andere Kontrastwirkung auf, die des
Qualitätskontrastes.
Zur Ergänzung: Die Kontraste werden an
einer anderen Stelle genauer untersucht. Zum Farbe an sich Kontrast nur noch
soviel: Auch wenn Farben nebeneinander zu stehen kommen, kann der
Farbe-an-sich-Kontrast zur Geltung kommen, dann nämlich, wenn die einzelnen
Farben in ihrer "Buntheit" wirken sollen, und es nicht auf eine
abgestimmte "Farbigkeit" ankommt. Man kann sich einen Verkaufsstand
mit "bunten Luftballons" vorstellen.
Da Farben von ihrem Wesen her nur in
gegenseitigem Wechselspiel ihrer ästhetischen Qualitäten und ihrer Auswirkungen
auf die Wahrnehmung erlebt werden, sind auch aneinandergrenzende,
kontrastierende Farben immer auch als Zusammenwirkungen erfahrbar. Farben bauen
auf Synthese auf. Unterschiedliche Elemente werden zu Einheiten zusammengefasst.
Dieses Prinzip der synthetischen Farbwirkung unterscheidet sich von dem der
Grafik: hier ist die Linie das entscheidende Element, die Linie repräsentiert
die Grenze, die Trennung, den Schnitt. Deswegen wird eine Linie in ihrer
Konkretion weniger wahrgenommen, die Farbe ist dem sinnlichen Eindruck näher,
die Linie dem rationalen.
Zur Erfassung
der Realität ist die Farbwahrnehmung von besonderer Bedeutung. Um dies optimal
zu gewährleisten hat das Gehirn die Fähigkeit entwickelt, Farben quasi als
Begriffe zu identifizieren, relativ unabhängig von der tatsächlichen Erscheinungsfarbe.
Die Farbigkeit verändert sich objektiv sehr stark wenn sich die Lichtverhältnisse
verändern. Dies ist das Gehirn in der Lage auszugleichen. Das ist für die
Orientierung in der Realität von Vorteil, für den ästhetisch wahrnehmenden
Menschen ist dies eher eine Nachteil. Nur durch Schulung oder eine besondere
Sensitivität hat der Mensch bewusst Zugang zu der ungeheuren Pracht der Farben.
"Unterschwellig" wirken Farben natürlich in ihrer aktuellen Präsenz,
deswegen wirkt die Abenddämmerung auf das Gemüt anders als der frühe Nachmittag,
obwohl man vermeintlich die selben Farben sieht.
Der Mensch lebt in einer Farbwelt
(außer bei Nacht). Diese Umgebungswelt ist visuell aufs äußerste
differenziert eben durch die kontrastierenden Farben und Begrenzungen. Die
Sehbahn (der Weg den der physiologisch umgewandelte physikalische Lichtimpuls
bis hin zum bewusst wahrgenommenen Objekt im Gehirn über sehr viele Zentren
durchläuft) besteht aus Gehirnzentren mit den unterschiedlichsten
"Aufgaben". Große Anteile davon werden der Kontrasterkennung und der
Richtungserkennung von Linien, also Umrissen zur Verfügung gestellt.
Möglicherweise ist die emotionale Farbwahrnehmung auch nicht mit dem
gestalterkennenden Farbwahrnehmen gekoppelt. Wir erleben unsere Umgebungswelt
als zusammengehörige Einheit, die aus den identifizierten Dingen besteht, die
zwar individuellen Charakter haben, aber zum Gesamtbild der Situation
dazugehören. Wenn sie das nicht tun, bzw. unsere Erfahrung diese
"Erscheinung" nicht zuordnen kann, dann ist das Ding ein
beunruhigender Störfaktor.
Dieses erleben wir auch beim Betrachten eines Bildes: der
Zusammenklang der Farben macht daraus "ein" Bild, und obwohl
wir die Farben voneinander deutlich unterschieden erleben, erleben wir auch das
Bild als einen Farbklang. Gleichzeitig sehen wir farbige Objekte, mit der wir
diese einer bestimmten Situation zuordnen (ikonische Funktion -
"Lokalfarbe"). Da wir bei ungegenständlichen Bildern den Farben keine
Gegenständen zuordnen, können wir hier die Farbqualitäten
"reiner" zum Ausdruck bringen und wahrnehmen.
weitere Überlegungen
7.2.
Hell-Dunkel
Beschreibung des Tatbestandes:
Jede Farbe hat ihre eigene spezifische
Farbhelligkeit. Ein reines Gelb ist heller als ein reines Blau. Neben dieser
spezifischen Eigenhelligkeit kommt die Möglichkeit der Hell- und Dunkeltrübung
hinzu. Bei der Helltrübung wird weißes Pigment dazugetan, im Extremfall bis
der Farbanteil gänzlich verschwunden ist. Da Weiß alle drei Grundfarben
beinhaltet, man durch Weißbeimischung deswegen immer Anteile der Gegenfarbe
dazumischt, ist eine Aufhellung durch weiß eine "Helltrübung".
Bei der Dunkeltrübung geschieht etwas anderes: hier wird Schwarz dem Farbton
beigemischt, und da Schwarz
die "Farbe" ist, die tendenziell gar nichts reflektiert, kann sie auch
keine Trübung im Sinne der Gegenfarbe verursachen. Sie entzieht dem Farbton
seine spezifische Intensität und wir haben den physiologischen Tatbestand vor
uns, dass das Auge eine höhere Sensibilität im dunklen Bereich für
Hell-Dunkel Abstufungen hat, als für Farbwerte. Farben brauchen eine
bestimmte Leuchtkraft, damit die Farbrezeptoren diese Farbe noch identifizieren
können. In Wirklichkeit handelt es sich nicht um eine eigentliche Trübung
sondern um eine Deaktivierung der Farbbestandteile.
Schwarz und Weiß werden als unbunte
Farben bezeichnet, weil sei keinen sichtbaren Farbwert aufweisen. Hier trifft
wieder die Sache mit dem "Farbenwissen" zu, denn ein Weiß neben einem
anderen Weiß hat sehr wohl farbliche Eigenwerte, die für unsere Wahrnehmung
nur keine Rolle spielen, so dass uns die Wahrnehmung "weiß" schon
reicht. Für die Inoui ist das anders: Sie kennen mehr als 20 unterschiedliche
Bezeichnungen für Weißtönungen.
Unter den Bildkontrasten nehmen
deswegen die Hell-Dunkelkontraste eine wichtige Stellung ein. Viele
Künstler haben ihre Bilder erst als "Camaieu" oder
"Grisaille" angelegt, ehe dann die Farbe dem Bild den spezifischen
Ausdruck verliehen hat. Leonardo hat die Technik des Chiaroscuro
(Hell-Dunkelmalerei) z.B. bei der "Felsgrottenmadonna angewandt, um die
plastische Wirkung der Figuren zu erhöhen. Plastizität von Gegenständen
wird in der Regel nur durch Hell-Dunkel Abstufungen erreicht.
Den extremem Fall des Hell-Dunkel
Kontrastes erleben wir in der Grafik, in den Drucktechniken - wenn es sich nicht
um Farbdrucke handelt - und selbstverständlich auch bei der Zeichnung. Ein
weiteres ganz großes Gebiet des Hell-Dunkel Kontrastes stellt die schwarz-weiß
Fotografie dar.
Als existentielle Konstante ist das Hell
Dunkel überall anwesend. Tag und Nacht, Licht und Schatten, die Zuordnung von
Plastizität über Hell-Dunkel Werte, Aber auch die Finsternis und das Licht -
ebenso im übertragenen Sinne - Gut und Böse ("die dunklen Mächte") Bewusstsein
und Unterbewusstsein, die geistige "Umnachtung" und was man sonst noch
alles finden kann...
Somit erfahren wir im Hell-Dunkel eines Bildes diese
ganzen Ebenen mit, seltsamerweise vielleicht da am wenigsten, wo der Hell Dunkel
Kontrast am intensivsten ist: bei der Grafik. Hier scheint die Figur-Grund
Beziehung eine deutlich höhere Wirkungsweise zu entwickeln als der Hell-Dunkel
Kontrast. Der Farbanteil z. B. beim "rembrandtschen Hell Dunkel"
scheint für die emotional-psychische Empfindsamkeit des Hell-Dunkel Kontrastes
wichtig zu sein.
7.3.
Formkontrast
Formbestandteile des Bildes sind Punkt,
Linie, Fläche, Umriss und Figur-Grund. Man kann sich hier alle möglichen
kontrastierenden Elemente vorstellen: Punkthaftes gegen Lineares, Linie gegen
Fläche, und Kombinationen wie gewellte Linien gegen gezackte, oder runde
Flächen gegen eckige usw. Damit sind auch schon die Umrisse benannt und
Figur-Grund braucht hier kaum besonders untersucht zu werden, da unter dem
Gesichtspunkt von Fläche, Linie und Punkt bei Figur-Grund immer das eine oder
andere sowieso eine Rolle spielt.
Formen haben einen Ausdruck. Das Runde erscheint
sanft gegenüber dem kantig Spitzen. Das Kleinteilige erscheint unruhiger als
die große, gleichmäßige Fläche. Als existentielle Konstante haben wir das
Bewusstsein von der äußeren Gestalt der Dinge. In der Regel erfahren wir die
Qualität von Formen über die Berührung. Erst bei der direkten Berührung mit
spitz, stumpf rau etc erleben wir, was es tatsächlich für Folgen hat, sich mit
bestimmten Formen "anzulegen". ("Messer Gabel Scher und
Licht...")... Bestimmend für Formerleben ist sicherlich auch der Kontakt
mit dem menschlichen Körper. Sich auf die Zunge beißen, das Harte und das
Weiche des eigenen und des fremden Körpers spüren, sind elementare Grunderfahrungen,
über die jeder verfügt. Noch anders: z.B. "sich fremd vorkommen"
heißt, einen Kontrast erleben zwischen der eigenen Identität und dem mich
umgebenden "Grund". Das heißt aber auch, dass es einen
"Empfindungskontrast" gibt zwischen meinem "Drinnen" und dem
"Draußen". Form als Identitätserfahrung und Identität immer damit
verbunden, dass sich diese unverwechselbar gegen das Umfeld abhebt.
Bei bestimmten Aufgabenstellungen
im bildnerischen Bereich wird sofort deutlich, wie sich diese existentiellen Konstanten
"ganz automatisch" in Bildsprache übersetzen lassen: etwas
"Hartes", "Aggressives" wird andere bildnerische Entsprechungen
finden als etwas "Weiches" , "Mildes". Die Beispiele
zeigen Schülerbeispiele aus dem Grundkurs einer 11.
Klasse in Bremen.
7.4.
Materialkontrast
Das Bild bekommt seine besondere
Wirkung durch den Einsatz unterschiedlicher Gestaltungsmaterialien. Die
klassische "Mischtechnik" ist hier an zentraler Stelle gemeint. Jedes
Material hat eine eigene Qualität, dies wurde bereits im Abschnitt Spur/Gestaltungsmaterial
dargestellt. Kommen mehrere Qualitäten zusammen, können diese in einem
bestimmten Kontrast zueinander stehen. Wir Rot mit Grün kontrastiert, so kann auch
matt mit glänzend kontrastieren, oder rau mit glatt. Mischtechniken werden im
Zusammenhang des Dadaismus hoffähig, Künstler wie Baumeister, Tapies,
Rauschenberg, haben intensiv diese Kontrastqualität in ihren Werken angewandt.
In der Malerei vor der Moderne war
'Mischtechnik' vorwiegend die Kombination der jeweiligen Vorzüge von Öl- bzw. Temperamalerei,
zuerst praktiziert von den flämischen Malern des 15. Jh.s.
Im alltäglichen Umgang mit Materialien
ist uns der Kontrast unterschiedlicher Qualitäten selbstverständlich
geläufig. Von der Kleidung über die Speisen, von der Inneneinrichtung bis zum
sonntäglichen Spaziergang sind wir mit Materialkontrasten konfrontiert.
Eigentlich immer. Sie sind so selbstverständlich, dass wir sie nur noch in den
seltensten Fällen bewusst (ästhetisch) wahrnehmen.
Wir können uns leicht vorstellen, dass Grunderfahrungen
mit Materialkontrasten beim Betrachten von Bildern eine wesentliche Rolle
spielen. Diese Eigenschaften haben auch etwas zu tun mit der "Aura"
eines Bildes, die eben insgesamt der bildnerischen Variablen "Spur"
zugeordnet wurde.
7.5.
Darstellungskontrast
Unter Darstellungskontrast verstehe ich in
der Zeichenkritischen Theorie den Kontrast von verschiedenen Aussageintentionen,
die sich auf einem Bild begegnen. Dies kann auf der Grundlage der Aussageebenen
oder der Darstellungstendenzen oder auch auf beiden aufbauen. Beispiel
1: Auf dem Bild ist gleichermaßen
die Aussageebene der Realität, wie die der Wirksamkeit gemeint. Dies wird
in der Zeichenkritischen Theorie als "Mischungsverhältnis beschrieben und
ist an und für sich nichts Aufregendes. Spannend wird es dann, wenn diese
beiden Aussageebenen sich in einer gewissen Weise "im Wege stehen".
Das gibt es bei photorealistischen Arbeiten, Gottfried Helnwein, oder Chuck
Close z.B.
Beispiel
2: Auf dem Bild kontrastieren unterschiedliche Darstellungstendenzen. Am
markantesten ist dieses Mischungsverhältnis bei dem Kontrast von Ikonischer DT
und abstrakter bzw. ästhetischer DT. Dort, wo eindeutig der Akzent einerseits
auf Ikonizität gelegt wird, dann in anderen Bildpartien die Ikonizität
zugunsten abstrakter, vielleicht ungegenständlicher Anteile zurücktritt, wird
dieser Kontrast anschaulich. Sehr häufig kommt dies vor bei Portraits, bei
denen zum einen in der Gesichtspartie höchster Wert auf Ikonizität gelegt
wird, im "nicht gemeinten" Hintergrund dann alles Ikonische zugunsten
eines z.B. schwarzen Grundes verschwindet.
Im alltäglichen Leben erfahren wir diesen
Kontrast bei der Vermischung unterschiedlicher Wahrnehmungsebenen. Am
deutlichsten bei der Halluzination, dort wo man nicht mehr weiß, "ob man
träumt".
8. Lage
- Syntax - Komposition
Beschreibung des Tatbestandes:
Wir unterscheiden drei unterschiedliche
Begriffe im Zusammenhang mit dieser bildnerischen Variablen: Lage, Syntax und
Komposition.
Unter Lage verstehen wir die
neutrale Bezeichnung des Tatbestandes, dass jedes Element, welches sich auf
einem Bildträger befindet sich an einer bestimmten Stelle dieses Bildträgers
befindet. Die Lage eines Elements kann man ebenso beschreiben, wie man die
Position eines Ortes auf der Landkarte beschreiben kann. Die Frage nach
der Lage verwendet man, wenn man die spezifischen Lage-Eigenschaften untersuchen
will, die ein Bildelement aufweist.
Unter Syntax
verstehen wir die (wertneutrale) Beschreibung der Zusammenhänge der Elemente auf einem Bild
untereinander und im Zusammenhang mit dem Ganzen des Bildes. Es spielen
hier auch die 'Gestaltgesetze' eine Rolle, da hier deutlich wird, dass es
bestimmter Syntagmen bedarf, um aus Einzelelementen eine "Gestalt"
zu machen. Die Gestalt, als ein auf Grund wesentlicher Eigenschaften wiedererkennbares Element, hat auch eine
enge Relation zu den Aussageebenen. Um dies darzustellen, unterscheide ich
(siehe den oben angebotenen Link "Syntax") zwischen einer
"geschlossenen" und einer "offenen" Syntax. Dabei ist die
geschlossenen Syntax abhängig von Regeln, die dazu dienen, Gestalten eindeutig, also in der Regel ikonisch (Realitätsaussage) identifizieren zu können und einer
"offenen" Syntax, die weniger oder überhaupt nicht von evidenten Zuordnungsgesetzen lebt, sondern deren "Logik" ästhetischen,
gestischen, tiefensymbolischen und abstrakten Erfordernissen folgt.
"Komposition
heißt die sinnvolle Zusammenstellung von Formkomplexen.
Von Komposition sprechen wir, wenn Schwerpunkte und deutlich umschriebene
Teilformen, die ihrer 'baulichen' Bedeutung nach die Gewichte
im Bild bestimmen, ins Auge springen. .... K. ist 'mehr als nur
ein Austarieren der äußeren Gewichte von Form und Farbe,
von zeichnerischen Akzenten und malerischen Werten'. Komposition
ist 'ein Vorgang, der immer mit dem formalen Aufbau zugleich den
Inhalt, den Sinn des Bildes bedenkt' (Günter Busch über
Bilder Max Beckmanns). ... ". (Pawlik,
S.33)
Der Vorgang des
Komponierens
ist demnach ein eher bildimmanenter, bewusster Akt. 'Komposition' unterscheidet
sich von 'Syntax' durch die besondere Zugehörigkeit zur Sprachsymbolik und
steht damit in einer direkteren Affinität zur Aussageebene der Formulierung
O'' und zum kulturellen Netz O''''. Damit birgt der Begriff der Komposition auch einen Anteil ästhetischer Wertung
in sich. Auf der Aussageebene O''
ist eine Komposition zwar auf allen Darstellungstendenzen denkbar, auch wenn die
sprachsymbolische Tendenz in der Regel dominiert (Komposition
und Darstellungstendenzen). Dieser "Beigeschmack" an ein
kulturelles Regelwerk führt dazu, dass heutzutage in der allgemeinen
künstlerischen Auffassung das Komponieren eher zweitrangig geworden ist, von
der Individual- und Tiefensymbolik herkommend hat heute die gestisch bestimmte
"Setzung", die Aktion, auch das Zufällige einen oftmals höheren
Stellenwert.
Ein weiteres kommt hinzu: Als bewusste
Entscheidung ist das entstehende Beziehungsgeflecht der Komposition indexalisches
(Super-)Zeichen
für den Sender/Macher und für die Situation in der sich der Sender befindet. Es bildet also eine Situation ab.
Die Qualität kompositorischer
Beziehungsstrukturen und was damit
ausdrückbar ist, bzw. ausgedrückt wird, entsprechen entweder primären menschliche
Erfahrungen im Umgang mit sich
selbst und mit der Umwelt oder sind durch
kulturellen Hintergrund gedeutete Erfahrungen. Senkrecht z.B. bildet eine
physiologische Erfahrung, rechts-links eine zumindest teilweise kulturell
gedeutete Erfahrung ab. Gleichzeitig ist rechts-links aber z.B. auch über die verschiedenen
Funktionen der Gehirnhälften auch physiologisch unterschieden und dadurch
unterscheidbar.
Wir fragen uns also im Folgenden, was kompositorisches "in Beziehung setzen" an
(situativer) Wirklichkeitserfahrung abbilden kann. Die bildnerischen Variablen sind
dabei gleichzeitig Möglichkeit und Begrenzung und deswegen Gegenstand dieser
Gesamtuntersuchung.
Die Dinge der Welt erscheinen gefügt.
Zusammenhänge haben
für uns eine erkennbare Ordnung. Wir Menschen sind Teil dieser
Lebenszusammenhänge, und damit auch Teil dieser (aus der
Perspektive unserer Wahrnehmung) erkennbaren Ordnung. Ordnung gliedert Raum
und Zeit in die Zukunft hinein. Es gäbe keinen Terminkalender, keinen Fahrplan
ohne diese Vorstellung von Ordnung.
Chaos dagegen wird definiert als die Unmöglichkeit der
Voraussagbarkeit. Da, wo Voraussagen nicht mehr möglich sind, da handelt es
sich um ein offenes System (die Mathematik spricht von "dynamischem
System"). Von Chaos als unserer Form der Existenz auszugehen, bei der somit nichts
wahrnehmbar aufeinander
bezogen ist, "alles durcheinander" ist, ist Unsinn, da die höchst
komplexen Zusammengehörigkeiten, Aufeinander-Angewiesenheiten, denen wir
unterworfen sind nichts von dieser Art von Chaos erkennen lassen.
Diese offenbare Gefügtheit
unserer realen Welt erlebt im Kopf
des Menschen ihre Abbildung als Ordnung, als Fügung, als Bestimmung, Berufung
und was solcher Worte mehr sind. Dies gilt solange als dies nicht durch pathologische
Zustände, Schicksalsschläge, Katastrophen unmöglich gemacht wird. Diese
Ordnung ist für uns lebensnotwendig, die Abhängigkeiten, die wir als Menschen
erfahren, finden in gedanklichen Systemen ihre Abbildung, die als Philosophie,
als Religion, als Recht und Ordnung, als Moral und Ethik usw. unser Leben und
unser Denken bestimmen - eben, wenn nichts dazwischenkommt, was eine
"angemessene" Abbildung erschwert oder unmöglich macht.
Der Kopf kann die Zusammenhänge der Dinge nur
wieder abbilden, wie diese in ihn hineingekommen sind. Hinein kommen sie auf
mehrerlei Wegen:
1. Abgesehen davon, dass bestimmte
existentielle Konstanten bereits dem Menschsein als solchem zugehören und deswegen
nicht "gelernt" werden müssen wie z.B. Stoffwechsel, Blutkreislauf,
Schwerkraft etc., werden andere Zusammenhänge gelernt durch direkte Erfahrung, also den Umgang
mit der "gefügten" Wirklichkeit.
2. Durch die Deutung dieser Wirklichkeit im
Vollzug von Sprache, die "allgemeines" gesellschaftliches Bewusstsein
abbildet, im besonderen das der tatsächlich erlebten Bezugspersonen (Eltern,
Erzieher, Freunde...). Hier ist das Feld der sozio-parentalen Kommentierung also
des primären Lernens auf der tiefensymbolischen Wahrnehmungstendenz. Die
Sprache kann die Gefügtheit der Dinge
für die
Wahrnehmung "richtig" abbilden oder auch stören oder verhindern. Je weniger ein Umgang
mit direkter Erfahrung möglich ist, um so mehr muss man den Deutungen der
Sprache Vertrauen schenken. Um so größer sind also auch die Fehlerquellen.
(Dies ganz besonders dann, wenn wie z.B. beim Säugling Erfahrungen noch nicht
ausreichend mit Umwelt gemacht worden sind. Aber auch beim allzu großen Einfluss
sog. Massenmedien. siehe auch "Gewährsmannprinzip")
Alle Deutungen unterliegen den
Interessen und psychischen
Voraussetzungen derjenigen, die diese Deutungen vornehmen (O'). Um diese Deutungen
wirksam werden zu lassen, müssen sie an Macht gebunden sein. Diese Macht kann
von Institutionen ausgehen aber auch von Personen. Ein Lehrer z.B. kann
Deutungen nur deswegen verbreiten, weil er eine Funktion in der institutionellen
Macht der Schule vertritt. Ebenso der Pastor in der Kirche und der Professor in
der Universität. Um diese Funktionen auch mit Macht auszustatten gibt es ein
Reglement (z.B. Prüfungen oder Gesetze), welches die Kontinuität von Deutungen
garantiert. Wir haben hier genau das sprachsymbolische Wahrnehmungsmuster auf
der Ebene des kulturellen Netzes vor uns. Auf diese Weise werden Vorstellungen
von Ordnungen und Zusammenhängen in den Vorstellungswelten der einzelnen Menschen
gefestigt. Diese Deutungen können der menschlichen Ordnung im Sinne einer
existentiellen Konstanten entsprechen oder auch nicht. So entstehen Ideologien.
Die Zeichenkritische Theorie geht davon aus, dass sich Ordnungen nur dann über
lange Zeiträume hinweg erhalten können, wenn zumindest wesentliche Anteile
daran im Sinne der existentiellen Konstanten "stimmen".
Die Vorstellungen von Ordnungen
bestimmen dann auch die Handlungen der Menschen. Somit können Handlungen, die als
materielle Wirklichkeit (O'') dem Menschen wieder entgegenkommen, Gefügtheit (O) abbilden,
oder sie können Gefügtheit im Sinne von Ideologien darstellen (z.B. englische und französische Parks).
Um Gefügtheit angemessen zum
Ausdruck kommen zu lassen muss man diese erkannt haben und sie zulassen. Ansonsten kann nur
das Bild einer unangemessenen
Abbildung dabei herauskommen. Ist die Gefügtheit jedoch erkannt, kann O'' als Sprache
(Mitteilungen/Handlungen) angemessen die Situation (O) zum Ausdruck bringen.
Es gibt somit offenbar eine Sprache um
die Gefügtheit von O angemessen
darzustellen. Diese kann sich bei einem Bild z.B. in der Komposition
ausdrücken.
Eine Komposition kann also das Bild der Gefügtheit,
der Ordnung der tatsächlichen Zusammenhänge sein, oder sie ist die
Abbildung eines ideologisch konstruierten "Relativismus", also der Versuch, durch das
"Machen" einer Komposition "Gefügtheiten" der O'-Ebene (mit
den ganzen möglichen Fehlerquellen) als "Abbildung" von O auszugeben.
Aber auch bei einer "unangemessenen"
Komposition gibt es die Möglichkeit die Komposition dann als das Abbild dessen aufzufassen, wie eben im Kopp des Senders die Dinge gefügt
erscheinen. Damit hat
dann das Studium der Komposition wieder indexalischen Charakter für die Person,
die das Bild hergestellt hat.
Wie kann man nun die unterschiedlichen
Möglichkeiten einer Komposition erkennen? Das ist im Sinne der
Zeichenkritischen Theorie nur mit der Rezeptionstendenz zu erfassen. Und hier
ist die individuelle Rezeptionstendenz eines jeden Betrachters gefragt. Wie aus
der Beschreibung der acht unterschiedlichen Tendenzen hervorgeht, kann nur die abstrakte
Rezeptionstendenz Zugang zu dieser Frage bieten. Man kann nur das auf einem Bild
sehen von dem man auch eine Vorstellung hat. Die abstrakte Darstellungstendenz
kann dennoch - da sie existentielle Konstante zum Schwingen bringen kann - ein
Empfinden des Stimmigen hervorrufen. Wenn wir doch nur dieses wirklich
"Stimmige" von Formalismen aller Art unterscheiden könnten! Da wir
uns häufig nicht zutrauen, dieses Stimmige tatsächlich erkennen zu können,
überlassen wir uns in unserer Urteilsbildung doch lieber den Fachleuten. Und
schon sind wir wieder bei den Ideologien oder zumindest bei deren möglicher
Wahrscheinlichkeit. Circulus vitiosus - nur die Lebenserfahrung ist vielleicht
Gewähr für Gewissheit.
8.1. Lineares System
Das rechteckige Format hat vier Seiten, die paarweise
aufeinander bezogen sind. Die Schnittpunkte der vier Seiten bilden vier Punkte,
die Ecken des Formats. Diese Punkte beziehen sich wieder alle aufeinander. Davon
sind jeweils zwei durch die Begrenzung des Formats tatsächlich miteinander
verbunden, die Punkte in der Diagonalen sind ideell miteinander verknüpfbar.
Dieses Format wird also von ideellen Diagonalen in vier Dreiecke unterteilt. Der
Schnittpunkt der Diagonalen bildet den ideellen Mittelpunkt des Formats. Dieser
Punkt ist wieder durch Attraktion mit den Seiten des Formats verbunden die
markanteste Beziehung herrscht als Parallele in den Seiten, so dass von dem
ideellen Mittelpunkt eine ideelle Waagrechte und Senkrechte entsteht. Dadurch
entstehen wieder vier Bildfelder in Form von dem Format ähnlichen Rechtecken. Diese Unterteilung bringt eine
klare Symmetrie mit sich. Die Senkrechte und die Waagrechte schneidet die Umrissgerade
des Formats in der Mitte, dadurch entstehen wieder Punkte, die miteinander
verbunden, eine auf einem Punkt stehende Raute ergeben. Nach dem Gesetz der
Nähe (je näher zwei gegenseitige Attraktoren zueinander sich befinden, um so
deutlicher wird die ideelle Beziehung) kann man sagen, dass der ideelle
Mittelpunkt deutlicher zu den Seiten des Rechtecks tendiert als zu den
Eckpunkten. Diese allerdings sind materiell vorhanden, so dass die Beziehung
Mittelpunkt-Ecke eine gemischte Form ist aus reeller und ideeller
Punktbeziehung. Der dynamische Bezug ist so materiell vorgeprägt , der
statische ist rein ideell, allerdings ist der statische vehement vorhanden in
den Begrenzungslinien des Formats. Von der Grenze des Formats aus gedacht ist
der statische Bezug der aktivere, vom ideellen Mittelpunkt her gedacht ist der
dynamische Bezug das Aktivere.
Nach dieser Beschreibung des linearen
Systems eines Rechtecks, die Frage, was diesem als Lebenserfahrung
entspricht. Klar, waagrecht-senkrecht ist eines der bestimmendsten
Wahrnehmungszusammenhänge, in denen wir uns bewegen. Die Fläche auf der wir
stehen ist tendenziell immer als Waagrechte erfahrbar, unsere eigene Position
dazu als Senkrechte. Wenn der Schwerpunkt sich verlagert, dann entsteht eine
dynamische Tendenz, die in der Schrägen sich zeigt. Erst durch Verlagerung
unserer Körperrichtung in die Schräge sind wir in der Lage uns zu
bewegen.
Das Zentrum - nur imaginär - ergibt sich
aus den Diagonalen, das Zentrum, welches man als das eigene Subjekt erlebt und
kennt. Allerdings eben nur imaginär, da das Zentrum sich erst durch die
Begrenzungen des Umfelds ergibt. Man könnte daraus schließen, dass sich auch
das Ich erst durch die Begrenzungen ergibt, durch die das Zentrum bestimmt wird.
Die entstehenden Dreiecke, die oben beschrieben wurden sind die Richtungen, in
die das Subjekt sich ausbreiten kann: Links, rechts, oben und unten. Etwas bei
dieser Ordnung ist erstaunlich: Diese Zuordnung der Richtungen als waagrecht und
senkrecht geschieht auch, wenn die Linien allesamt in Wirklichkeit waagrecht
sind, also, wenn dieses Rechteck auf dem Boden liegt. Die Parallelität
jeweils der gegenüberliegenden Seiten intensiviert diese Seiten in ihren
Richtungstendenzen, die ganze Bildfläche wird von diesen zwei Tendenzen
durchdrungen. Dabei erscheint das "Senkrechte" aktiver, das
"Waagrechte" passiver. Der Mittelpunkt wird somit nicht nur gebildet
aus der Kreuzung der Diagonalen, sondern auch aus der Gesamtorientierung in die
Breite und in der Höhe des Formats. Der Mittelpunkt als das Zentrum der sich
durchdringenden Kräfte. Das Ich überhaupt erst denkbar im Kräftespiel von
Gemeinschaft und Kultur.
Entstanden durch die Diagonalen bezogen
auf den Mittelpunkt gleichschenklige Dreiecke in der Ausrichtung
waagrecht-senkrecht, dann entstehen jetzt Vierecke, die sich den Diagonalen
zuordnen. Interessant, dass somit neue statische Formen - die Rechtecke - in den
dynamischen Richtungen auftauchen. das Statische und das Dynamische entstehen
auseinander. Ruhe und Aktivität gehören zusammen.
Gleichzeitig entsteht eine Balance, die
sowohl statisch als auch dynamisch im Format wirken. Dazu das aktiv
Statische und das passiv Statische. Alle diese Beziehungen finden sich im
Format wieder. Die sichtbaren Elemente dabei sind die statischen Beziehungen,
die dynamischen Beziehungen wirken zunächst im latenten Bereich. Ohne weitere
Konkretionen auf dem Bild entspricht dieser Zusammenhang einer erwartungsvollen
Spannung, so etwa wie man im Theater sitzt und darauf wartet, dass der Vorhang
aufgeht.
Wir sehen im Zusammenhang eines Bildes die
eine oder andere dieser Konkretionen des linearen Systems realisiert. Damit
entsteht das stofflich Ablesbare zusätzlich zu dem, was nur gedanklich
"virtuell" existiert in Linien, die durch eben die beschriebenen
Kräfteverhältnisse anwesend sind. In diesem Zusammenspiel der konkretisiertren
und der nur denkbaren Kräfte entsteht eine der wesentlichen kompositorischen
Wirksamkeiten.
8. 1. 1.Kompositionslinien
Aus dem eben Entwickelten ergibt sich für
die Kompositionslinie selbst Ähnliches: Die Kompositionslinie ist fast immer
nur teilweise materialisiert. Viele Teile einer Kompositionslinie verschwinden
quasi unter der Bildfläche, sind aber als ordnendes Prinzip in ganz
wesentlicher Weise bei der Wirkung eines Bildes anwesend. Das Bild erhält einen
wesentlichen Teil seiner Wirkung aus den Attraktoren die durch ordnende Punkte
und Linien entstehen. Ich habe versucht, dieses Prinzip bei der "Form"
deutlich zu machen. Die Kompositionslinien unterstützen oder modifizieren das
lineare System, das dem Bild seinen hauptsächlichen kompositorischen Charakter
gibt.
Beim Beispiel oben sehen wir das Bild von Jacques
David 'Tod des Marat'. Das lineare System basiert eindeutig auf einer
Waagrecht-Senkrecht Ordnung. eine fallende Schräge geht in die rechte untere Ecke,
eine wesentlich undeutlichere ansteigende Diagonale gibt das entsprechende
Gegengewicht.
Dieses Bild kann man dann vielleicht so
erleben, dass die waagrecht-senkrecht Struktur die Endgültigkeit der Situation
einerseits, andererseits aber auch das gebannte Warten darauf anzeigt, was jetzt
kommen wird. Dem entsprechen die unterschiedlichen Schrägen, fallend die
dominantere, steigend die Hoffnung, die sich irgendwie noch zeigt.
…Die Französische Revolution eröffnete
Marat neue Möglichkeiten: Mit seinen heftigen, von maßlosem Hass geprägten
Attacken auf das absolutistische System und auch das gemäßigte Bürgertum
schwang er sich rasch zu einem der radikalsten Führer des Pariser Volkes auf.
Ab September 1789 gab er eine Zeitung heraus, den Publiciste Parisien, den er
wenig später in L’Ami du Peuple (Der Freund des Volkes) umbenannte. L’Ami
du Peuple wurde bald Frankreichs einflussreichste und gefürchtetste radikale
Zeitung. … er veröffentlichte die Namen von so genannten Volksfeinden und
deren „Vergehen” und lieferte sie damit der Rache des Volkes aus; den
politischen Massenmord und die gewaltsame Revolution von unten propagierte er
als legitime Mittel in der politischen Auseinandersetzung. Nach dem Sturz der
Monarchie im August 1792 schloss er sich den radikalen Jakobinern um Georges
Danton an. Wenig später setzte er seine Forderung nach politischem Massenmord
in die Tat um: Die Septembermorde waren im Wesentlichen von ihm initiiert. Als
Mitglied des Nationalkonvents und Präsident des Jakobinerklubs drängte Marat
zu diktatorischen Maßnahmen, um die Revolution zu verteidigen, und führte
einen fanatischen Kampf gegen die gemäßigten Girondisten, der im Sturz der
Girondisten im Mai/Juni 1793 gipfelte. Wenig später, am 13. Juli 1793, wurde
Marat, der den Gemäßigten unterdessen als Symbol der Auswüchse und
Schrecken der Revolution galt, von Charlotte Corday, einer Anhängerin der
Girondisten, im Bad erdolcht. (Microsoft®
Encarta® Professional 2002. © 1993-2001 Microsoft Corporation. Alle Rechte
vorbehalten.)
Interessant
sicher auch, wo, an welchen konkreten Stellen eine Kompositionslinie sich zeigt,
bzw. sich sogar mehrere bündeln: hier ist auffällig, dass die beiden
Ellenbogen durch mehrere Kompositionslinien markiert sind, weniger überraschend
die Hand. Und dass das Messer auf die Hand verweist, eine Hand die den Tod
vieler Menschen verursacht hatte, ist eine ganz am Rande liegende
Auffälligkeit. David, selbst doch Jakobiner und im Nationalkonvent Mitglied,
war mit Marat selbstverständlich eng vertraut, die vielfachen leichten
Schrägen, die immer noch den Anflug von Dynamik in sich tragen erklären, dass
wir dieses Bild eher als das Sinnbild eines schlafenden Unsterblichen erleben,
den als das eines Toten .
8. 1. 2. Richtungen:
Dieses Bild von Otto Dix steht hier als Beispiel
für die Dynamik von Richtungen in einem Bild. Im Gegensatz zu einer Linie hat
eine Richtung immer eine Bewegungstendenz. Es geschieht etwas. Diese Richtung
kann von der motivlichen Syntax her verstanden werden wie im Falle des Bildes
von Otto Dix, aber auch durch die sich entwickelnden Dynamiken der bildnerischen
Variablen selbst. Hier ist natürlich die ungegenständliche Malerei besonders
aufschlussreich.
Jede Form hat bereits für die Wahrnehmung erkennbare Richtungen.
Jede Spur hat bezogen auf das Format bestimmte,
eindeutige Richtungen. Diese hängen ab von vektoriellen Kräften in den
Flächen, von Intensitäten, von Helligkeit und Prägnanz.
Wir haben Empfindungen von Hängen, Schweben, Fallen,
diese Wahrnehmungen erleben wir bei den Richtungstendenzen im Zusammenhang der
Gesamtsyntax.
Man kann ein Format auf den Kopf
stellen (Kandinsky, Baselitz), dann werden die Richtungen in ihrer Tendenz verändert.
waagrecht
Die Waagrechte ist von der Erfahrung her
der Boden auf dem wir stehen, ist der Horizont, ist die Körpererfahrung des
Liegens. Die Schwerkraft ist die Gegenkraft zur Waagrechten, mit dieser ist sie
direkt verbunden. Die Einflüsse der Schwerkraft sind bei der Waagrechten am
deutlichsten: Keine Gegenkraft ist wirksam bis auf die Masse (die der
Schwerkraft physikalische Grenzen setzt. - Man kann nicht durch das Bett hindurchfallen, man kann nur aus dem Bett fallen.) Die Waagrechte ist auch die
undynamischste Richtung, die tendenzielle Ausbreitung in die Weite ist nicht als
Bewegung zu verstehen, sondern als Dimension der Dauer. Die Waagrechte
ist somit eine statische und gleichzeitig eine passive Ausrichtung. (passive
Statik)
senkrecht
Die Senkrechte ist die Ausrichtung, die von unten
nach oben oder von oben nach unten führt. Sie ist die Richtung, die sich von
der Bodenfläche erhebt, die in einen unendlichen Raum verweist. Vom
körperlichen zum geistigen Prinzip. Auf der anderen Seite ist die Senkrechte
ebenso wie die Waagrechte statisch, auch hier ist nur eine Unendlichkeit als Weiterführung
der Richtung denkbar, also ein geistiges Prinzip. Durch unsere Körpererfahrung
wissen wir die Senkrechte als Stehen zu deuten: das Stehen, das statisch ist
aber mit eigenem Energieaufwand hergestellt werden muss. Eine Aktivität in der
Senkrechten somit eigen. (Aktive Statik).
schräg
Die Schräge ist das Moment der Dynamik.
Bewegung kann nur durch Schräglage erzeugt werden, Gewichtsverlagerung: Der
Schwerpunkt "fällt aus dem Bett" (s.o.). Solange die Schräge noch
durch Masse unterhalb des Schwerpunktes gestützt wird, (Standbein-Spielbein),
ist keine Dynamik als Bewegung erfahrbar, allerdings als mögliche Bewegung,
denn die Tendenz ist ja bereits angedeutet.
steigend
Eine Schräge, die von links unten nach rechts
oben verläuft empfinden wir als steigend. Von der Leserichtung eines Bildes
ausgehend (von links nach rechts) ist die Richtung bestimmt. (Darstellung von
Erfolgskurven). Inwieweit dieses Phänomen kulturell bedingt ist, soll hier
nicht geklärt werden. (siehe auch weiter unten 'Bildfelder').
fallend
Die Schräge, die von links oben nach rechts
unten tendiert ist fallend. die Hinweise folgen dem Beispiel für steigend.
Mischungen
Durch ikonische und abstrakte (Achsen-)Merkmale kann die Tendenz der Richtung verändert werden. Schwerpunkte,
oder auch Handlungsachsen können der abstrakten Richtung entgegenarbeiten. Der
von rechts oben nach links unten verweisende Arm ist deutlich etwas anderes, als
der von links unten nach rechts oben weisende. (Jener verdammt, dieser weist in
die Zukunft...)
Zick-Zack
Die Zick-Zack Linie ist eine Zusammensetzung aus
steigend und fallenden Richtungen. Durch die sich bildenden Spitzen bekommt
diese Linienform eine Konnotation der Aggressivität.
Kurven
Jede Kurve hat ein Zentrum oder einen Brennpunkt, auf den sie verweist. In der
Regel hat die Kurve immer eine Affinität zum Kreis. Zusammengesetzte Kurven
haben etwas Unschlüssiges (torkeln), aber auch etwas endlos Bewegtes
(Meeresoberfläche).
Kreis
Der Kreis ist ein in sich geschlossenes System, in sich
ruhend; auch durch Bewegung verändert sich seine Form nicht. Er tendiert
seinem Zentrum entgegen. Dieses Zentrum ist gleichzeitig der Schwerpunkt, der durch die
unterstützende Masse gehalten wird. Der Kreis kann nie aus dem Gleichgewicht kommen.
Der Kreis birgt, und der Kreis schließt die Elemente aus, die sich außerhalb der
Kreisform bewegen. Der Kreis hat aber auch eine Tendenz nach außen, strahlend,
und anziehend gleichzeitig. Der Kreis ist die Sonne, mit Energie ausgestattet, darin
liegt seine Dynamik, und in der Unveränderbarkeit liegt die Ruhe. Der Kreis
verliert nie seine Mitte.
Oval/Ellipse
Das Oval ist ein Kreis, der zusätzlich der Kreisform eine Richtung gibt.
Das Oval ist labiler als der Kreis. Die zwei Zentren, Brennpunkte, die sich
ergeben bei der Ellipse besitzen einen Antagonismus. Der Mittelpunkt des Kreises
teilt sich in zwei. Wie bei der Eizelle, die sich teilt.
Welle
Das konkave und das konvexe Spiel der Formen
deutet auf eine Aufhebung der starren Kreisform hin, Außen und Innen stehen
sich gegenüber. (Die Delle und die Beule). Dadurch kommt es zu einem Wechsel
der Kräfte, rhythmische Veränderungen kommen zustande, Sog und Druck.
Spirale
Aus dem geschlossenen System des Kreises wird das
offene System der Spirale.
8. 2. Bildknoten
Unter 'Bildknoten' verstehe ich die Bündelung von
Kompositionslinien an einem Ort oder einem Zentrum.
Sind diese "Knoten" realisiert, also
als Bildelement vorhanden, dann können die Linien, die diese Knotenpunkte in
Erscheinung treten lassen, auf diesen
Knotenpunkt zu laufen, oder von ihm ausgehen. Dies ist im Einzelfall zu
untersuchen.
Kompositionslinien
können sich auch an einer Stelle schneiden, an der kein Bildmotiv auf diesen
Schnittpunkt verweist. Dann ist die Wirkung das Knotens
weniger sichtbar, aber die Linien führen dann eindeutig auf diesen Punkt zu. Knotenpunkte
werden in der künstlerischen
Praxis als etwas bezeichnet, das man meiden solle, da es das Auge unangenehm an
einem Punkt fixiere. Wenn der "Knoten"
alle Bilddynamik auf sich vereinigt, kann er kaum noch über sich hinausführen.
Beim Beispiel von Meidner ist dieses aber gerade gewollt.
Die Bestimmung von Knotenpunkten in Bildern lässt
vielfach erkennen, wo das eigentliche Motiv des Bildes sich befindet oder auch
das "Bildsubjekt". Aus Verdichtungen können so auch Zentren werden,
die dann mit möglichen anderen Zentren eine Beziehung eingehen können. Auch
hier ist wieder die "Attraktivität" von Punkten wichtig, wie
beim Thema "Form-Punkt".
Zur Öffnung kommt es dann, wenn von der
Verdichtung ausgehende Richtungen aktiv sind; die von einem
Punkt ausgehenden Strahlen öffnen sich. Offen kann
eine Komposition
aber auch dann sein,
wenn sie keine Verdichtungen hat. Öffnungen bleiben unbestimmter, "bleiben
offen", eine Festlegung geschieht nicht. Der Betrachter der Öffnung kann
selbst eigene Akzente setzen.
Wir kennen diese "Knoten" aus dem Empfinden
heraus, dass sich etwas zusammenballt, dass "etwas vor der Tür
steht", etwas hat eine "dichte Atmosphäre", auch so etwas wie
"ein Unglück kommt selten allein" hat Affinität zu diesem Thema.
8. 3. Menge
Menge ist eine Kategorie der Wiederholung.
Allerdings kommt selten ein Element in der exakt gleichen Form vor wie vorher,
außer vielleicht bei einem Rapport (z.B. Tapete, Ornament). Durch die kleinen
Unregelmäßigkeiten wird das Auge gelenkt, es wird immer wieder neu angeregt
die Unterschiede wahrzunehmen. Man kennt das, wenn man etwas immer wieder aufs
Neue macht - und eben nicht genau so wie immer. Menge gibt auch eine neue
Einheit, Ähnliches fügt sich zusammen.
8. 4.
Bildfelder
Die beim Format angesprochenen Bildfelder haben
zusätzliche Bedeutungskomponenten. Die untere Hälfte eines Formats ist
prinzipiell von der oberen unterschieden, ebenso wie die rechte von der linken.
Diese Unterschiede sollen hier untersucht werden.
8. 4. 1. oberes Bildfeld
Das Oben ist der Himmel, ist die Öffnung, ist
das geistige sich Entfernen von der Erdenschwere (der Kopf ist oben). Das Oben
ist auch die Übersicht und die Ungebundenheit. Die Senkrechte
ist die Verbindung von unten und oben oder auch von oben mit unten, je nach
Richtung der Bewegung, "Zurück auf den Boden" oder auch zur "grenzenlosen Phantasie"...
"Die Gedanken sind frei". Oben herrscht der Geist, ist Weite, ist
Raum.
8. 4. 2. unteres Bildfeld
Das untere Bildfeld ist der Boden, ist
das "Unten", entweder als Boden oder auch als Richtung der Schwerkraft.
Unten gibt Stand und Sicherheit, es verbindet mit dem Grund. Schwere, Masse,
Erde, sind die Konnotationen dieses Bereiches. Unten geschehen die irdischen
Dinge.
Wertigkeiten: Je nach persönlicher Einstellung
kann entweder das obere oder das untere Feld das "wichtigere", das
Positive sein. Oft ist das obere Feld
mit einer positiven Wertigkeit belegt. Dies könnte daher kommen, dass ein
Bild Korrelat des Geistigen ist, also auch das 'geistige Feld'
positiver eingestuft wird. Bilder haben etwas mit Phantasie zu tun, mit
"Künstlerischer Freiheit" (ob sie deswegen dem Boden der Wahrheit
näher kommen sei dahingestellt). Allerdings sind auch die unter
"Richtungen" beschriebenen Phänomene Hinweis auf eine solche
Wertigkeit. (Nach Oben geht's ins Positive, nach unten in den Keller...
"über den Wolken ist die Freiheit grenzenlos...")
Bezogen auf das Bild von Courbet erscheint
der Kontrast von oben und unten schon sehr auffallend, bis dahin, dass das obere
Feld kaum Informationen aufweist, vielleicht ist es das noch nicht Realisierte,
das, was erst im Geistigen sich befindet, unten dagegen tobt das Leben in all
seinen Facetten, Leid und Elend, Macht und Reichtum, und als zentraler Punkt der
Künstler, der dies alles in seinem geistigen Auge sieht und
konkretisiert.
8. 4. 3. Links/rechts
Geht man von der Leserichtung
unseres Kulturkreises aus, dann liest
man von links nach rechts, links also der Anfang der Zeile, rechts ihr Ende.
Überträgt man das Bild des Lesens auf einen Bildgegenstand, dann bedeutet
links auch da wo man herkommt, das, was man schon weiß (weil man's ja schon
gelesen hat) rechts ist das Neue, das Unbekannte, die Zukunft. Links dagegen die
Vergangenheit. Von der Physiologie her ist das Linke etwas
anderes als das Rechte (Rechtshänder), die Gehirnhälften unterscheiden sich in
ihrer Funktion. Links das intelligente, rechts das rationale, links das
emotionale, rechts das ordnende. Die Parteienbezeichnung 'Links' und 'rechts'
ist ebenso eine kulturgeschichtlich interessante Situation. Untersucht man
Landschaftsbilder auf denen so etwas wie Lichteinfall, Sonne, auch Wege und
Öffnungen zu erkennen sind, dann ergibt sich, dass bei einer deutlich
größeren Anzahl von Bildern diese Elemente sich rechts befinden. Sozusagen das
Verheißungsvolle, das positiv Besetzte, Zukunftsweisende und Angenehme. Auch
beim Portrait kann man etwas Ähnliches beobachten: Das Profil nach rechts kommt
häufiger vor, hat einen eher forschen, zukunftsweisenden Ausdruck gegenüber
dem Profil nach links, welches häufiger nachdenklich wirkt. Selbstverständlich
kann man dies sicherlich nicht als Gesetzmäßigkeit formulieren, zu viele
Elemente kommen hinzu, die Persönlichkeit des Malers, kunstgeschichtliche
Einflüsse usw. Dennoch wird dem sensiblem Betrachter ein deutlicher Unterschied
auffallen bei diesem polaren Verhältnis.
Bei der Untersuchung der beiden Hälften des
Bildes von Courbet erscheinen eben solche Zusammenhänge in der Verteilung von
links und rechts: Die rechte Seite ist besetzt mit der "positiven"
Menschengruppe (allerdings - oder gerade - nach links blickend), ein
beleuchteter Ein- oder Ausgang gibt ein wesentliches Licht für das Bild, die
linke Seite ist bevölkert mit den armen Leuten, den Statisten, ein Gekreuzigter
ist zu erkennen, und ein Kind, welches - schon sehr nahe dem Zentrum - ungeheuer
gebannt nach rechts schaut... Die nackichte Dame, von der man überhaupt nicht weiß
(ohne Kenntnis der besonderen Allegorien), weswegen sie als Aktmodell herumsteht
schaut sehnsüchtig nach links, vielleicht eingedenk besserer Tage, als man sich
noch um sie kümmerte.
Solche Konnotationen können sich beim
Betrachten des Bildes einstellen, ob diese dann mit amtlich beglaubigten
Deutungen dieses Bildes übereinstimmen mag zu überprüfen sein, sichtbar
werden sollte hier nur, welche Zusatzinformationen das Spiel mit rechts und links
mit sich bringen kann.
8. 5. Symmetrie
Symmetrie gibt den beiden Hälften erst
einmal die gleiche Wertigkeit. Rechts und Links sind ebenbürtig, sind ihre
jeweiligen Spiegelbilder.
Uns ist Symmetrie äußerst geläufig, sind
wir doch selbst in unserem Körperbau weitgehend symmetrisch gebaut, auch wenn
eben doch ganz entscheidende Unterscheide bestehen. Wenn man die beiden
Körperhälften genau betrachtet gibt es ganz entscheidende Unterschiede in den
Proportionen.
Dieser Trick ist altbekannt: man nimmt die
jeweiligen Hälften eines Gesichts, und spiegelt sie so dass scheinbar wieder
ein ganzes Gesicht dabei zu sehen ist. Man ist immer wieder überrascht, wie
sehr die Gesichtshälften differieren. Selbst bei diesem Top-Modell, die ja
besonders ebenmäßige Gesichtszüge haben, ist der Effekt noch beachtlich. Eben
diese Asymmetrie ist das Interessante an der Symmetrie. Zu diesem Beispiel eine
wissenschaftliche Beobachtung:
"Symmetrisch ist sexy", Artikel zu Studie
Wissenschaftskongress Seattle; Weserkurier vom 16.2.97: "Vorraussetzung für den Erfolg eines Mannes sei
zum Beispiel, dass seine Augen, Ohren und Mundwinkel auf imaginären Linien
liegen. Aber Frauen nähmen auch wahr, wenn der restliche Körper
spiegelbildlich harmoniert ... Symmetrie stehe für sexuelle Attraktivität -
beim Mann. Dagegen schlagen Frauen aus der Symmetrie ihres Körpers so gut wie
kein Kapital, .... (Dies)... wurde laut Thornbill auch in knapp 50
Untersuchungen bei mehr als 40 Tierarten bestätigt. ..."
Wenn man mit dem Gedanken der
"Zeitschiene von links nach rechts" an diese Frage herangeht könnte
man vermuten, dass Frauen in der Symmetrie beim Mann die Konstanz schätzen, die
Verlässlichkeit in der zeitlichen Dauer. Symmetrie lässt die Zeit in den
Hintergrund treten, macht aus Zeit Dauer, wenn nicht Unendlichkeit. Viele
Symbole, die Konstanz mittransportieren sollen sind symmetrisch. Das Kreuz, die
Pyramide, Das Dreieck für die Dreieinigkeit, die Rosette, das Pentagon, der
Dreizack, der Lebensbaum, das Herz usw. Symmetrie hat etwas von Ewigkeit, hat
den Anspruch auf die Nähe Gottes oder zumindest von Mutter Natur...
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