Das O-Modell

Das O-Modell ist ein Modell, das die grundsätzlichen Umwandlungen einer Information während eines Kommunikationsprozesses (direkt oder indirekt) beschreibt. Das O-Modell kann die Veränderung ("Übersetzung") von Informationsinhalten erfassen, die während eines Kommunikationsprozesses auftreten. Das O-Modell beschreibt den Umgang mit Information und Kommunikation. Das O-Modell ist in gleicher Weise für den Produzenten wie für den Rezipienten von bildender Kunst für die kritische Erfassung von Zeichenzusammenhängen zugänglich. Das O-Modell ist die Basis der Zeichenkritischen Theorie. Das O-Modell als Zentrum der Zeichenkritischen Theorie ermöglichst insbesondere, Werke der bildenden Kunst auf ihre Aussageebenen/-modi und ihre Darstellungstendenzen/-weisen hin zu untersuchen, bzw. zu analysieren.

Grundlage des O-Modells ist die Überlegung, dass die äußere Realität (die das "O-Modell" voraussetzt), in "Übersetzungsprozessen" ins Bewusstsein und dann in die Sprache und schließlich in den menschlichen Umgang gelangen. Diese unterschiedlichen Übersetzungsstufen betrachtet wir im Rahmen des O-Modells als unterschiedliche, wenn auch voneinander abhängige Wirklichkeitsebenen.

Bei allen Übersetzungsprozessen wird der ursprüngliche Zusammenhang verändert. Nur die Überprüfung an der Realität wird das Ergebnis der Übersetzung als angemessene oder auch unangemessene Übersetzung sichtbar machen. 

In der Zeichenkritischen Theorie unterscheide ich 5 Wirklichkeitsebenen.


1. Die Realität, als die Wirklichkeitsebene der materiellen Welt (diese wird hier trotz aller sonstigen philosophischen Diskussion angenommen und vorausgesetzt).

Diese Ebene wird im O-Modell als O dargestellt. Das Kürzel "O" steht für 'Objektivität', 'Objektwelt' o. dergl. Alle weiteren Übersetzungsprozesse basieren auf den Möglichkeiten, die in O enthalten sind. Es gibt demnach in der Logik des "O-Modells" nichts, was sich nicht in irgendeiner Form auf O zurückführen lässt, oder sich auf O bezieht. Die weiteren Übersetzungsschritte werden als "Ableitungen" dieser Basis mit der mathematischen Darstellungsform der Ableitung bezeichnet: O', O'', O''', O'''' etc.

zu einer ausführlicheren Darstellung von O


2. Die Befindlichkeit, als die Wirklichkeitsebene der inneren und äußeren Position, und zwar als Positionsbestimmung und als Weltanschauung..

Der Begriff der 'Befindlichkeit' soll in seinen zwei Dimensionen den Sachverhalt der inneren Wirklichkeit beschreiben: Die innere Wirklichkeit ist durch ein internes 'Weltbild', die "Weltanschauung" bestimmt, welches die eine Grundlage der 'Befindlichkeit' ist, dazu ist sie bestimmt durch die ganz konkrete Position an einem Ort, mit den dazugehörigen Sichtweisen auf die Welt, welches die zweite Grundlage der Befindlichkeit ist. Andere Autoren bezeichnen dies als "erlebte Welt", als "Wirklichkeit im zweiten Sinne", als "anschauliche oder erlebte Wirklichkeit". Die Befindlichkeit ist der Ort, an dem auch die direkte Erfahrung ihren Ort hat, "selbst-Erlebtes", "selbst-Verarbeitetes" bestimmen in erster Linie die Position des Menschen. Wir werden später sehen ("Sprachsymbolik") , wie weit kulturelle Beeinflussung diese Position zu irritieren vermag.

Im O-Modell wird die Wirklichkeitsebene der Befindlichkeit als O' dargestellt. Das O' ist das Resultat aus der Wahrnehmung von Wirklichkeit, wie sie sich jeweils in einer bestimmten Lebensphase gefestigt hat.

zu einer ausführlicheren Darstellung von O'


3. Die Formulierung, als Wirklichkeitsebene von Sprache, bzw. von Sprachsystemen. 

Das eigene Weltbild und die damit zusammenhängenden Vorstellungen sollen unter bestimmten Bedingungen wieder "geäußert" werden. Dazu braucht es ein materielles System mit seiner ihm eigenen Gesetzmäßigkeit. Bei der Übersetzung in Sprache gehen Anteile der Vorstellung im Sinne von O' verloren (jeder kennt die Schwierigkeiten,  seine Gedanken z.B. "in Worte zu fassen"), und gleichzeitig kommen vom materiellen System her bedingt Informationen hinzu (Holz hat eine andere "Anmutung" als z.B. Bronze). Damit ist die Sprache, bzw. ein 'Medium' immer etwas anderes als das "was man sagen will". Jede Sprachform berichtet über Erfahrungen mit Situationen, die vergangen sind, aber für die Gegenwart eine Bedeutung haben (sollen). Ein Bild zeigt eine Erfahrung aus einem anderen Situationszusammenhang, dieser kann aus dem Bereich der Realität ebenso wie aus den anderen Wirklichkeitsebenen kommen. 

Die Möglichkeiten sich "auszudrücken" sind noch von weiteren Faktoren bestimmt: Die Sprachbeherrschung ist ein wesentlicher Sprachfaktor, der natürlich für ein Bild in gleicher Weise gilt. Auch die ökonomischen Voraussetzungen sind gerade bei Sprachformen, die eine bestimmte Ausrüstung verlangen (Film, Video, auch Fotografie und Tontechnik etc.) Hemmnisse in einer möglicherweise angemessenen Sprachform etwas zum Ausdruck zu bringen. 

Und dann ist da auch noch der Rezipient, der in der Lage sein muss, die Sprache zu verstehen...

Man  kann seine eigenen Vorstellungen aber auch äußern, indem man etwas tut. Auch die Ergebnisse der Tat sind Formulierungen. Alle materiellen Konkretionen, die eine Vorstellung "realisieren" sollen, sind im Sinne der Zeichenkritischen Theorie O''. Auch hier gibt es eine von außen kommende Eigendynamik (z.B. Umweltproblematik), die zu dem, was der Mensch tun will hinzukommt.

Die Konkretionen als Formulierungen werden in der Zeichenkritischen Theorie als O'' dargestellt. Sie sind immer etwas anderes als die Vorstellungen und Ideen selbst, und sind selbst noch bestimmt durch die Eigengesetzlichkeit des Mediums.

zu einer ausführlicheren Darstellung von O''


4. Die Wirksamkeit, als die Wirklichkeitsebene der inneren Auseinandersetzung mit einer sprachlichen Mitteilung. 

Der Rezipient übersetzt die Sprachform (z.B. das Bild) analog zur Wirklichkeitsebene der "Befindlichkeit", in eine weitere Wirklichkeitsebene. Es ist die Wirklichkeitsebene des "Verstehens" aber auch der "Wirksamkeit". Es gibt entscheidende Unterschiede zwischen der inneren Wirklichkeit im Sinne der 'Befindlichkeit' und der inneren Wirklichkeit im Sinne der 'Verstehens'/'Wirksamkeit', so dass es sinnvoll ist, hier eine eigene Wirklichkeitsebene anzunehmen. Ist O' noch konfrontiert mit der Realität, also auch mit direkter Erfahrung, dann ist O''' die Ebene der indirekten Erfahrung. Indirekte Erfahrung heißt aber auch schon sprachlich (und damit kulturell) umgeformt, mit all den Problemen, die dies beinhalten kann.

Dieser Wirklichkeitsebene kann man mit unterschiedlichen Haltungen entgegentreten.

 Im O-Modell wird die Ebene der Verständigung/Wirksamkeit als O''' dargestellt.

zu einer ausführlicheren Darstellung von O'''


 5. Das kulturelle Netz als die Wirklichkeitsebene des soziokulturellen Systems.

Das "kulturelle Netz" als Wirklichkeitsebene aufzufassen, ist von grundsätzlicher Bedeutung. Die Rezipienten einer Äußerung, die bereits in irgendeiner Form "Allgemeingut" geworden ist (z.B. Massenmedien, Schule etc.), werden diese Äußerung aufnehmen, verstehen, sie wird eine Wirkung haben. Der Rezipient selbst befindet sich in diesem kulturellen Kontext, und wird jetzt seine Antwort auf diesen Rahmen hin orientieren. Seine Äußerung bezieht man auf ein bereits bestehendes Sprach- und Kultursystem, und man wird auch von diesem her in seinen Äußerungen korrigiert. (Z.B.:  Der Schüler lernt etwas, und gibt es in der Klassenarbeit wieder. Der Referent seines Lernens - und auch der darauffolgenden Benotung - ist nicht die Realität, sondern das gesellschaftliche Wissen.) 

Das kulturelle Netz wird in der Zeichenkritischen Theorie verstanden als die Wirklichkeitsebene, in der die kulturellen Erscheinungsformen sich selbst reproduzieren in kultureller "Selbstreferentialität". Der Referent der Ebene des kulturellen Netzes ist die Ebene der Formulierung (und eben nicht die Ebene der Realität). Ist somit die sprachliche Abbildung von Wirklichkeit "falsch", d.h. führt sie nicht zu einem sinnvollen Umgang mit den Bedingungen und dem Vermögen der Realität (Beispiel: Missachtung der Ökologie), ist auch das kulturelle Netz in Bezug auf die Realität "falsch", selbst wenn es in Bezug auf die Ebene der Formulierung hin "richtig" ist. (Adorno: "Es gibt kein richtiges Leben im falschen...")

Beispiele: Das Zitat, das Schulzeugnis, Der Fernsehbericht vom Krieg im Irak, ...

 Im O-Modell wird die Ebene des kulturellen Netzes als O'''' dargestellt.

zu einer ausführlicheren Darstellung von O''''


Anmerkung

Dem kulturellen Netz kann man auch mit Sachwissen und direkter Erfahrung begegnen. Dann kann man aus dieser Position heraus unterscheiden, ob das, was kulturelle Norm ist, dem Sachverhalt entspricht oder nicht. Daraus resultiert eine kritische (unterscheidende) Position kulturellen Normen gegenüber, was als Äußerungsform eine autonome Position darstellt. Der Rezipient einer kulturellen Botschaft, die er auf Grund eigener Erfahrung beurteilen kann, nimmt die kulturelle Botschaft selbst als O'' wahr, zu der er entweder zustimmend, ablehnend oder auch differenzierend gegenübertritt, und als Äußerungsform sozusagen ein "unabhängiger Sachverständiger" ist. Dies ist zwar deutlich von dem Verhalten unterschieden, was als kulturelles Netz oben beschrieben wurde, aber als Wirklichkeitsebene hat es die gleiche Qualität, da es eine Äußerung gegenüber einer verarbeiteten (kulturellen) Formulierung ist. 

Deswegen gibt es im Sinne des O-Modell keine weiteren Wirklichkeitsebenen.

Als "Aussageebene" wird dann sinnvollerweise unter einer O'''''- bzw. als O''' '''-Aussage noch unterschieden, wie in einer späteren Lektion deutlich gemacht werden wird.