Das O-Modell ist ein Modell, das die grundsätzlichen Umwandlungen einer Information während eines Kommunikationsprozesses (direkt oder indirekt) beschreibt. Das O-Modell kann die Veränderung ("Übersetzung") von Informationsinhalten erfassen, die während eines Kommunikationsprozesses auftreten. Das O-Modell beschreibt den Umgang mit Information und Kommunikation. Das O-Modell ist in gleicher Weise für den Produzenten wie für den Rezipienten von bildender Kunst für die kritische Erfassung von Zeichenzusammenhängen zugänglich. Das O-Modell ist die Basis der Zeichenkritischen Theorie. Das O-Modell als Zentrum der Zeichenkritischen Theorie ermöglichst insbesondere, Werke der bildenden Kunst auf ihre Aussageebenen/-modi und ihre Darstellungstendenzen/-weisen hin zu untersuchen, bzw. zu analysieren.
Grundlage des O-Modells ist die Überlegung, dass die äußere Realität (die das "O-Modell" voraussetzt), in "Übersetzungsprozessen" ins Bewusstsein und dann in die Sprache und schließlich in den menschlichen Umgang gelangen. Diese unterschiedlichen Übersetzungsstufen betrachtet wir im Rahmen des O-Modells als unterschiedliche, wenn auch voneinander abhängige Wirklichkeitsebenen.
Bei allen Übersetzungsprozessen wird der ursprüngliche Zusammenhang verändert. Nur die Überprüfung an der Realität wird das Übersetzungsprodukt als angemessene oder auch unangemessene Übersetzung in Erscheinung treten lassen.
Ich unterscheide innerhalb des "O-Modells" 5 Wirklichkeitsebenen, denen 7 Aussageebenen gegenüberstehen:
1. Die Realität, als die Wirklichkeit der materiellen Welt (diese wird hier trotz aller sonstigen philosophischen Diskussion angenommen).
Diese Ebene wird im O-Modell als "O" dargestellt. Das Kürzel "O" steht für 'Objektivität', 'Objektwelt' o. dergl. Alle weiteren Übersetzungsprozesse basieren auf den Möglichkeiten, die in O enthalten sind. Es gibt demnach in der Logik des "O-Modells" nichts, was sich nicht in irgendeiner Form auf O zurückführen lässt, oder sich auf O bezieht. Die weiteren Übersetzungsschritte werden als quasi "Ableitungen" dieser Urform mit der mathematischen Darstellungsform der Ableitung bezeichnet: O', O'', O''' etc.
2. Die innere Wirklichkeit, als die Wirklichkeit der Befindlichkeit.
Der Begriff der 'Befindlichkeit' soll in seinen zwei Dimensionen den Sachverhalt der inneren Wirklichkeit beschreiben: Die innere Wirklichkeit ist durch ein internes 'Weltbild' bestimmt, welches die eine Grundlage der 'Befindlichkeit' ist, dazu ist sie bestimmt durch die ganz konkrete Position an einem Ort, mit den dazugehörigen Sichtweisen auf die Welt, welches die zweite Grundlage der Befindlichkeit ist. Andere Autoren bezeichnen dies als "erlebte Welt", als "Wirklichkeit im zweiten Sinne", als "anschauliche oder erlebte Wirklichkeit".
Im O-Modell wird die Wirklichkeitsebene der Befindlichkeit als O' dargestellt. Das O' ist das Resultat aus der Wahrnehmung von Wirklichkeit, wie sie sich im Laufe des Lebens eingestellt hat.
3. Die Wirklichkeit der Form oder der Formulierung, die "mediale Wirklichkeitsebene", als die Wirklichkeit von Sprache.
Der Begriff der Form hat hier seinen Ort. Form und Inhalt sind Kategorien der Formulierung; Wesen und Gestalt sind die entsprechenden Kategorien auf der Ebene der Realität. Die moderne Sprachwissenschaft versteht unter Sprache all die Systeme, die der Mensch hervorbringen oder nutzen kann, um Informationen weiterzuleiten, bzw. Kommunikation zu initiieren. Darüber hinaus betrachtet das O-Modell alle Produkte menschlicher Gehirntätigkeit, insofern sie intentionalen Charakter haben und sich materiell manifestieren, als O''. Somit differenzieren wir das O'' zum einen in die 'eigentlichen' Sprachen und zum anderen in die Menge der Artefakte, die Resultate von Handlungen sind.
Bei der Zeichenkritischen Theorie geht es insbesondere um die Frage der bildenden Kunst und deren Eigengesetzlichkeit. Darum werden wir hier die Frage nach den Artefakten und nach solchen Kommunikationsstrukturen, die sich als Gesellschaftssysteme und deren Überbau darstellen, nicht untersuchen.
Im O-Modell wird die Formulierung als O'' dargestellt. Die Formulierung, und damit die Form ist abhängig von der Eigengesetzlichkeit des verwendeten Kanals. Die Aussagbarkeit innerhalb eines Mediums ist somit von dieser Eigengesetzlichkeit abhängig. Damit wirkt aber auch der Kanal und dessen Eigengesetzlichkeit auf die transportierten Inhalte ein. Die Vielfalt der Kanäle und u.U. deren Kombination ergibt erst die Möglichkeit einer umfassenden Information und Kommunikation.
Die O''-Ebenen in ihrer Erscheinungsform als Artefakte oder als Sprachen werden von einem Rezipienten wahrgenommen. Häufig unterscheidet dieser nicht zwischen "Natur" und "Artefakt". Eine Autobahn ist somit genauso selbstverständlich wie der sie umgebende Wald. Oder ein Haus ist eben da, wie der Boden auf dem es steht. Man vergisst, dass die Dinge von den Menschen einmal gemacht worden sind, und in der Tat gibt es in zivilisierten Kulturlandschaften keinen mm, der nicht zig-mal von Menschen bearbeitet worden ist.
4. Die Wirklichkeit einer sprachlichen Mitteilung, als die Wirklichkeitsebene der Verständigung.
Der Rezipient übersetzt das Bild analog zur Wirklichkeitsebene der "Befindlichkeit", in eine weitere Wirklichkeitsebene . Es ist die Wirklichkeitsebene der "Verständigung" aber auch der "Wirksamkeit". Es gibt entscheidende Unterschiede zwischen der inneren Wirklichkeit im Sinne der 'Befindlichkeit' und der inneren Wirklichkeit im Sinne der 'Verständigung'/'Wirksamkeit', so dass es sinnvoll ist, hier eine eigene Wirklichkeitsebene anzunehmen.
Im O-Modell wird die Ebene der Verständigung/Wirksamkeit als O''' dargestellt.
5. Die Wirklichkeit eines soziokulturellen Systems, als die Wirklichkeitsebene des kulturellen Netzes.
Das "kulturelle Netz" als Wirklichkeitsebene aufzufassen, erscheint unter dem Aspekt der "Selbstreferentialität" notwendig. Der Referent der Ebene des kulturellen Netzes ist die Ebene der Formulierung (und nicht die Ebene der Realität!). Ist somit die sprachliche Abbildung von Wirklichkeit "falsch", d.h. führt sie nicht zu einem sinnvollen Umgang mit den Bedingungen und dem Vermögen der Realität (Beispiel: Missachtung der Ökologie), ist auch das kulturelle Netz in Bezug auf die Realität "falsch", selbst wenn es in Bezug auf die Ebene der Formulierung hin "richtig" ist.
Im O-Modell wird die Ebene des kulturellen Netzes als O'''' dargestellt.
Weitere Wirklichkeitsebenen gibt es im Sinne des O-Modell nicht.
Die Verarbeitung des kulturellen Netzes im Bewusstsein und die daraus resultierende erneute Konkretion in Form einer weiteren abgeleiteten Wirklichkeitsebene ergibt wieder eine neue Variante des kulturellen Netzes. Es ist allerdings sinnvoll, bei der Ausdifferenzierung der "Aussageebenen" noch weitere Ebenen einzuführen:
Das O-Modell unterscheidet auf der Ebene der Aussageebenen noch
6. die Aussageebene der kritischen Reflexion als O''''', und
7. die Aussageebene der Autonomie, als O''' '''.