Ikonographie (griechisch eikon: Bild und graphein: beschreiben), Methode der Kunstwissenschaft (Kunstgeschichte) zur Untersuchung der symbolischen oder allegorischen Bedeutung einzelner, meist religiöser oder mythologischer, aber auch profaner Themen bzw. Motive in Werken der bildenden Kunst. Die Ikonographie geht meist beschreibend und klassifizierend vor. Anfang des 20. Jahrhunderts erweiterte vor allem Aby Warburg diese Methode zur Ikonologie.
Symbole und Allegorien sind in der bildenden Kunst seit ihren historischen Anfängen bekannt. Deren Bedeutung wurde zwar von den Zeitgenossen verstanden, später aber gingen diese Kenntnisse häufig verloren. Die Ikonographie versucht daher, den Bedeutungsspielraum solcher Motive zu rekonstruieren, und ist damit eine der grundlegenden Forschungszweige der Kunstgeschichte. Sie untersucht die Themen und Motive einzelner Werke, aber auch von Werkgruppen und -zyklen; und sie verfolgt deren Bedeutungswandel in ihren historischen Entwicklungen. Die ikonographische Analyse eines Werkes ist eine Voraussetzung für dessen Interpretation, teilweise auch für seine Datierung oder Lokalisierung. Die Ikonographie ging zunächst von der archäologischen Erforschung antiker Porträts aus. Nach ersten Ansätzen im 16. bis 18. Jahrhundert hatte sie als kunstwissenschaftliche Methode ihre Blütezeit in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.
In der ägyptischen Kunst wurden Götter wie Hathor, Ra oder Ptah in Gestalt von Tieren oder als Naturphänomene dargestellt, die ihre wesentlichen Eigenschaften in einfache Bilder fassten, so etwa als Kuh oder als Sonnenscheibe. In der griechischen und römischen Antike wurden Götter und mythische Helden bei ihrer bildlichen Darstellung mit bestimmten Attributen (lateinisch attributum: das Hinzugefügte) ausgestattet, die sich aus ihren Eigenschaften bzw. Tätigkeiten ableiteten und auf ihre Träger verweisen. Zeus, der Göttervater, wurde z. B. gewöhnlich mit einem Adler und einem Donnerkeil dargestellt, Apollon, der Gott der Künste und Wissenschaften, mit einer Leier, Artemis, die Göttin der Jagd, mit Bogen und Köcher, Äskulap, der Gott der Ärzte, mit einem Schlangenstab oder Herakles mit einem Löwenfell.
Die frühchristliche Kunst griff bei der Darstellung von christlichen Glaubensinhalten und zur Charakterisierung von Heiligen auf die antike Formensprache zurück. Zwei der frühesten Symbole sind das Kreuz Christi und der Fisch. Letzterer wurde in der Zeit der Christenverfolgung zum Erkennungssymbol der christlichen Gemeinden und entstand als Akronym der griechischen Formel
Iesoús Christós theoú hyiós sotér (Jesus Christus, Sohn Gottes, unser Retter), das den Begriff
ichthýs (griechisch: Fisch) ergibt. Im Zusammenhang mit dem sich ausbreitenden Heiligenkult nahm im Mittelalter die bildliche Darstellung von Heiligen zu, wodurch sich die Palette ihrer Attribute erweiterte: Petrus etwa wurde durch die Schlüssel charakterisiert, Johannes durch das Lamm oder die heilige Katharina von Alexandria durch ein gebrochenes Rad.
Daneben dienten auch Farben (Blau für den Mantel Marias, Rot für das Gewand Christi) oder Zahlenverhältnisse (wie zwölf für die Zahl der Jünger Jesu) als Bedeutungsträger, deren Entschlüsselung zum Verständnis der Bildinhalte beiträgt. Auch Tiere und Pflanzen, vor allem Blumen, fungierten in der Kunst immer wieder als Symbol, so die Schlange wegen ihrer zentralen Rolle beim Sündenfall als Symbol des Teufels und für Sünde und Laster, die Lilie symbolisiert Unschuld und Keuschheit, insbesondere die unbefleckte Empfängnis Marias, und ist das Attribut des Erzengels Gabriel und zahlreicher Heiliger.
Als in der Renaissance die Antike und ihre Darstellungsweisen wieder entdeckt wurden, verbreiteten sich auch im profanen Bereich mythisch-allegorische Darstellungen. Seit dem 15. Jahrhundert entwickelten sich zahlreiche Varianten des Vanitas-Themas (lateinisch: Eitelkeit, Nichtigkeit) als Gegenstand der bildenden Kunst: als Warnung vor der Vergänglichkeit irdischer Güter sowie als Mahnung, sich um das eigene Seelenheil zu kümmern. Besonders die niederländischen und spanischen Maler des Barock komponierten Still-Leben aus Gegenständen wie Juwelen, Münzen, Musikinstrumenten (zur Illustration der Oberflächlichkeit des Irdischen), mit Totenschädeln, Stundengläsern mit rinnendem Sand und niederbrennenden Kerzen als Memento mori (lateinisch: „Gedenke des Todes”).
Autor: Wolfgang Blümel, Microsoft® Encarta® Professional 2002. © 1993-2001 Microsoft Corporation. Alle Rechte vorbehalten.