Die sprachsymbolische Wahrnehmungstendenz
Über Sprache und indirekte Erfahrung angeeignete cut-outs und "Tableaux" stellen Begriffe und Vorstellungen dar, die von der Gesellschaft und deren Normen und Wertvorstellungen her geprägt sind. dabei können unterschiedliche sprachsymbolische wie auch individualsymbolische Tableaus miteinander pluralistisch "konkurrieren" oder sich auch gegenseitig im Zusammenhang mit Machtstrukturen ausschließen (diktatorisch). In der Sprachsymbolik drückt sich ein gewisser kultureller Konformismus aus, der sowohl passiv als Anpassung als auch aktiv im Durchsetzen von Denkmustern und Normen im Sinne des Machterhalts und der Festigung der bestehenden gesellschaftlich/kulturellen Strukturen in Erscheinung treten kann.
Das interessanteste Feld der Sprachsymbolik neben der Machtfrage ist das Zustandekommen von Begriffen in einer Gesellschaft, ist die Auswahl dessen, worüber mit diesen Begriffen gesprochen werden kann und ist damit auch die Grammatik, die diesen Begriffen eine zwingende Struktur auferlegt. Wenn die "Bildzeitung" das Maß dafür ist, worüber gesprochen wird, ist das ein anderes Paradigma als bei dem Diskurs, den "Zeit"-Leser haben. Das Ensemble der Begriffe über die eine Sprache verfügt, gibt Aufschluss darüber, in welchem Zustand sich die Gesellschaft (oder Sub-Gesellschaft) befindet, es gibt Aufschluss über die Wahrnehmungsebene einer Gesellschaft. Und es gibt auch Aufschluss darüber, worüber in einer Gesellschaft nicht gesprochen wird oder werden darf. Wenn sich eine ganze Nation über "Wetten dass" unterhält, hat sie offenbar andere Sorgen als eine z.B. buddhistische Gesellschaft, die das Thema "Mitgefühl" ins Zentrum ihres Diskurses stellt.
Es gibt endlose Bereiche von Wirklichkeit, für die es nie ein Wort gegeben hat, und damit sind alle Wirklichkeitsebenen gemeint. Empfindungen, die man nicht ausdrücken kann, Numinoses, "Unbedeutendes", verdient oder hat keine Worte. Beim Bild sagt man "es sei nicht bildwürdig". Malen Sie einmal das Innere Ihrer Hosentasche. Beschreiben Sie einmal ganz genau, was das ist , wenn es sie "juckt".
Ein ganz wesentlicher Aspekt der Sprachsymbolik ist unsere Angewiesenheit auf Sprache als Möglichkeit Erfahrungen von anderen Menschen in unsere Weltvorstellung zu integrieren. Denn das, was wir als Menschen direkt erfahren können, ist auf unseren Lebenszusammenhang begrenzt. Dafür sind wir als Menschen auch in der Lage, Erfahrungen von anderen Menschen anzunehmen. Wir brauchen nicht jeder aufs Neue den Umgang mit Feuer, den Umgang mit Techniken immer wieder neu zu entdecken. Es gibt Ereignisse in der Wirklichkeit, die nur selten vorkommen (z.B. Sonnenfinsternis), oder die eine ganz gezielte Erfahrung mit diesen voraussetzen, um deren Wesen und Wirkungen zu erkennen (Heilpflanzen z.B.). Da unsere direkte Erfahrung nicht ausreicht, die Zusammenhänge der Welt so zu erfassen, dass wir uns als gesellschaftliche Wesen in Natur (und Kultur) sinnvoll bewegen können, sind wir auf die Erfahrungen anderer Menschen angewiesen. Für uns selbst sind dies dann indirekte Erfahrungen.
Wir haben selbst andere Erfahrungen, als andere Menschen in ihren jeweiligen Situationen. Über Sprache werden auch solche Erfahrungen vermittelt, die wir selbst nicht direkt erfahren können.
Die Grenzen der direkten Erfahrung sind:
Die Grenze unserer Identität: Was ein anderer Mensch erlebt, ist für uns nicht erfahrbar. Wir müssen es uns von ihm mitteilen lassen.
Die Grenze der Zeit: Was vor unserer Erlebnisfähigkeit war, kann ich nur durch andere Menschen, die das erlebt haben, indirekt erfahren (Geschichte).
Die Grenze des Raumes: Was woanders zu einem Zeitpunkt geschehen ist, wo ich nicht dort war, kann ich auch nur indirekt erfahren, durch die Mitteilung eines anderen Menschen.
Die Grenzen der (ökonomisch/physiologisch/geistigen) Möglichkeiten: Das, wozu ich nicht die Möglichkeit, die Mittel habe, es zu erleben, kann mir nur die indirekte Erfahrung derjenigen vermitteln, die die Möglichkeiten und die Mittel dazu haben, solche Erfahrungen zu erleben. (Die Reise zum Mond oder in andere externe Paradiese, oder z.B. auch die Erfahrungen des jeweils anderen Geschlechtes, soweit diese überhaupt mitteilbar sind, was weitere Fragen aufwirft...)