Der Begriff Les Fauves, wörtlich „Die wilden Tiere”, stand ursprünglich abwertend für die locker verbundene Gruppe, die 1905 erstmals im Pariser Herbstsalon ausstellte. Herausragende Vertreter waren André Derain, Maurice de Vlaminck, Raoul Dufy, Georges Braque, Henri Manguin, Albert Marquet, Jean Puy, Émile-Othon Friesz und Henri Matisse, der unangefochtene Kopf der Gruppe. Die Bezeichnung Les Fauves fand jedoch nie die Billigung dieser Maler, die ihren heiteren und lyrisch-subjektiven Bildern auch nicht gerecht wurde.

Die Farbgebung der Fauvisten geht auf Experimente von Matisse in Saint-Tropez im Sommer 1904 zurück, der mit neoimpressionistischen Malern zusammenarbeitete, die Tupfer reiner, unvermischter Farbe nebeneinander auf die Leinwand setzten (siehe Pointillismus). Mit seinen neoimpressionistischen Bildern zeigte Matisse großes Interesse an lyrischer Farbgebung. 

Im Sommer 1905 malten Matisse und Derain gemeinsam in Collioure und begannen, reine Komplementärfarben zu benutzen, die mit flachen, kräftigen Strichen aufgetragen wurden. Mit leuchtend hellen Farben wollten sie das mediterrane Licht auf der Leinwand wiedergeben. Als ein benachbarter Sammler einige Bilder Paul Gauguins zeigte, die in der Südsee gemalt waren, fanden sie ihre Ideen der subjektiven Farbgebung bestätigt, und der Fauvismus war geboren. Matisse betonte in einem Kommentar zu den Grundlagen seiner Arbeit, dass „... die Wahl der Farben auf keiner wissenschaftlichen Theorie beruht. Sie basiert auf der Beobachtung, dem Gefühl und der eigentlichen Natur jeder Erfahrung.”

Matisse vollzog schließlich den Bruch mit dieser Farbgebung: Bald wies auf einem seiner Gemälde die Nase der dargestellten Frau ein kräftiges Grün auf, wenn das zur Farbkomposition beitrug oder wenn Ornamente die Ausdruckskraft des Bildes steigerten. Er sagte: „Ich male keine Frauen, ich male Bilder.”

Alle fauvistischen Maler experimentierten mit den Prinzipien dieses Stiles auf ihre Art und Weise. Etwa seit 1908 hielt sich keiner der Maler mehr an die Regeln des Fauvismus, nachdem die Farbgebung zum individuellen Ausdrucksmerkmal des modernen Künstlers geworden war. Braque beispielsweise fand den Weg zum Kubismus. Eine verwandte Kunstrichtung war in Deutschland der Expressionismus.


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