Primärsprache" - "Kultursprache


In der Zeichenkritischen Theorie (und in anderen linguistischen Disziplinen) wird unterschieden zwischen Primärsprachen und Kultursprachen. 

Primärsprachen sind alle Sprachformen verbaler, visueller, taktiler, olfaktorischer Art, welche ohne "gelernt" werden zu müssen, kommunikative Funktionen haben, z.B. Streicheln, duften (die Liebe geht durch den Magen - das Auge isst mit...), Blinzeln, Kopfnicken, Winken, anschreien, die "schöne Stimme", mit "drohender Gebärde", usw. Inwieweit diese Elemente auch "gelernte" Anteile haben sei dahingestellt, ihre Grundlage ist primärsprachlich, da sich in der Verwendung dieser die verschiedenen Kulturen kaum unterscheiden. es sind gestische oder auch indexalische Zeichen, die situative Relationen der Umwelt oder der betreffenden Personen direkt deutlich machen.

Kultursprachen dagegen sind symbolischer Art: sie entwickeln sich ohne direkten Bezug auf die bezeichnete Situation, können über komplizierte Grammatiken und Wortschätze sehr differenzierte Sachverhalte zum Ausdruck bringen, wenn die Zeichen beiden Kommunikationsteilnehmern bekannt sind. Es gibt für die Beherrschung dieser Sprachformen Lexika, die genaue Bedeutungsfelder der Worte vermitteln, es gibt Grammatiken, die die Syntaxregeln dieser künstlichen Sprachformen genauestens festlegen. Kultursprachen muss man sich durch lange Lernerfahrungen aneignen, und nur durch regelmäßige Übungen werden diese Sprachen gefestigt. Passive und aktive Wortschätze können sich deutlich unterscheiden, restringierte und elaborierte Codes bezeichnen soziale Unterschiede, und gruppenspezifische Sprachformen bezeichnen Zusammengehörigkeiten (Dialekte, Szenesprachen, "Familiencodes").

Die Kultursprachen versuchen die primärsprachlichen Anteile möglichst zu eliminieren ("drücke dich bitte gewählter aus"), primärsprachliches Vokabular ist "roh und ungehobelt", es sei denn, es ist ebenso durch kulturelle Normen fixiert (5-Sterne Hotel, Kamasutra, etc.). Kultursprachen sind undemokratischer, weil sie nur denen offen stehen, die die entsprechende "Bildung" haben, gleichzeitig sind sie demokratischer, denn durch die syntaktischen Festlegungen sind sie gezähmt, "kultivierter", dem individuellen Gebrauch, der individuellen Anfärbung in größerem Maße entzogen. Dennoch wird selbstverständlich durch die Beimischung primärsprachlicher Anteile diese Anfärbung wieder konnotativ spürbar....


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