Hölle und Himmel Es fällt außerordentlich schwer, die von der Zeichenkritischen Theorie postulierte tiefensymbolische Wahrnehmung von Wirklichkeit als etwas 'Unbeschadetes' darzustellen. Es gibt sie natürlich, die glückliche, prägende Primärerfahrung. Die sozio-parentale Kommentierung in ihrer Wucht darzustellen ist dagegen ein Leichtes. |
||
Die Primärerfahrungen in einem "unkommentierten Raum", in einem mit dem Natürlichen (was auch immer das sein mag) völlig verschmolzenen Raum sich vorzustellen, scheint in unserer Kultur fast undenkbar. Allerdings versuchen eine Vielzahl von Erziehungsmodellen in diese Richtung zu denken, zumindest postulieren sie eine "natürliche Erziehung", eine "repressionsfreie Erziehung", eine "antiautoritäre Erziehung" usw. Jedes "zurück zur Natur", jede "biologische" Ernährungsform, verheißt den Schlüssel zum verlorengegangenen Paradies. Aber außer "Friede, Freude, Eierkuchen" weiß niemand so recht, wie es da aussehen soll. |
||
Wir befinden uns in guter Gesellschaft: schon das christliche Weltbild, ein Meister der Höllenvorstellungskunst, weiß kaum etwas Nennenswertes über das Paradies auszudrücken. Hieronymus Bosch schwelgt in den Pfühlen der Hölle, des Lasters und der Sünde, aber außer Hallelujah fällt auch ihm für das Reich Gottes wenig ein. Das weiß auch der Münchener im Himmel und kehrt reumütig in seine angestammte Kneipe zurück. |
||
Und trotzdem ist diese Sehnsucht nicht wegzudenken, dafür werden Kriege geführt, Kreuzzüge veranstaltet, es wird missioniert und kolonialisiert, um diesen Urzustand in der Nähe Gottes wieder herzustellen. |
||
Die durch Sprachsymbolik möglich gewordene Machtausübung und ihr Missbrauch scheint vielleicht das Tor zur Hölle zu sein. Möglicherweise ist Macht selbst schon die Hölle. In der Vorstellungswelt der sozio-parentalen Kommentierung allerdings erscheint die Begegnung mit Macht verbrämt als das "Fromme", als die "Demut" als der "gläubige Gehorsam". |
||
Eigentlich schlau. Das was man als sozio-parentale Kommentierung in die Köpfe der Kinder als Primärerfahrung hineinpflanzt, was tatsächlich gegen die Natur ausgerichtet ist, da es ja die Macht in ihrer Grundstruktur erhalten will und soll, wird als das eigentliche "Gut" dargestellt. Die Entfremdung zur Natur und damit zu sich selbst ist vollziehbar und die Ahnung von dem ursprünglichen Zustand von der homomorphen Primärerfahrung geht mehr und mehr verloren. Es gibt in der Sprache der Macht keine Worte mehr für das Ursprüngliche, keine Ikonisierbarkeit. Abstrakt erscheint es uns immer noch als etwas selbstverständliches, jedenfalls solange bis die Sprachsymbolik alle abstrakten Wahrnehmungsbereiche kolonialisiert haben wird. Es ist für ein Kind tatsächlich die Hölle in einer Welt sozio-parentaler Kommentierung aufzuwachsen und von den ursprünglichen Wurzeln abgeschnitten zu werden. Ein Kind heult ja auch ziemlich viel. Offenbar tut das weh. Mit kulturellem Raffinement wird dann der Verlust des "Paradieses" beklagt, der Raum der Hölle aber dann in ein fernes Reich mit Teufel und anderen bösen Buben bestücktes unterirdisches Reich verschoben, (das "Unterbewusstsein" ist ja der Bereich der sozio-parentalen Kommentierung!), und die reale Hölle, in der wir alle leben (denn es gibt keine andere), wird erfahrbar als das "irdische Glück", als gesellschaftlicher Erfolg, als Fortschritt und Reichtum. |
||
Das ursprüngliche O wird zum Negativum erklärt, O'' zum eigentlich Positiven. Gleichzeitig wird auch das O'''' negativ angefärbt, denn das ist ja der Bereich der kulturell dargestellten Hölle. Jetzt, nachdem die Religion besiegt ist, wo die Auswüchse der menschlichen Kolonialisierung der Natur vehement zurückschlagen, wird Natur als das Fremde wieder in den Bereich der Beobachtung zugelassen, O'' wird dafür in Frage gestellt, mit der Aufwertung von O'''' einhergehend. Man kann eigentlich nichts sagen zu der Wirklichkeit selbst, behaupten die Konstruktivisten, Nur das O'''' ist verlässlich als Konstruktion, als virtuelle Realität. Schlecht ist dann natürlich O''' ''': der autonome Mensch ist ja in dieser Welt sowieso eine Fiktion, und die Kolonialisierung des menschlichen Geistes gehört in die Welt einer mittelalterlichen (oder höchstens noch kommunistischen) Foltermaschinerie. |
||
Also Leute! bleiben wir da wo wir hingehören: in der fiktiven Welt des Fernsehens, der Computerspiele, und der Demokratie. |
||