Symbol


Symbol (griechisch symbolon: Wahrzeichen, Merkmal), allgemein ein sinnlich wahrnehmbarer Verweisungsgegenstand oder – vorgang, der zeichenhaft für etwas anderes, mit den Sinnen nicht Wahrnehmbares (Gedachtes bzw. Geglaubtes) steht (siehe Semiotik). Als solcher ist der Begriff in Psychologie, Philosophie, Soziologie, Kunst- und Literaturwissenschaft, Linguistik, Mathematik, Technik, Kartographie, Theologie und Religionswissenschaft gebräuchlich. Das Wort leitet sich ab vom griechischen Verb symballein (zusammenfügen bzw. -werfen). Ursprünglich bezeichnete er Erkennungs- bzw. Beglaubigungszeichen, die zwischen Freunden, Vertragspartnern oder Boten verwendet wurden, wie z. B. ein auseinander gebrochener Ring, dessen erneutes Zusammenfügen sicherstellte, dass beide Teile einst zusammengehörten. Symbole sind etwa die Sanduhr (für Tod und Vergänglichkeit), das Haus (für Geborgenheit), der Fuchs (für Verschlagenheit, Reineke Fuchs) und der Fisch (Erkennungssymbol des frühen Christentums). In der Wirklichkeitsauffassung Goethes stellt prinzipiell alles Vergängliche nur ein Gleichnis dar (Faust II): „Alles ist ja nur symbolisch zu nehmen und überall steckt noch etwas anderes dahinter”. In der Literatur wird generell jegliche bildkräftige, „sinnbildliche” Aussage, die auf ein Abstraktum verweist, ohne (wie die Allegorie) willkürlich gesetzt zu sein, als Symbol begriffen. In der Poetologie des Symbolismus wird dies zum bestimmenden Prinzip. 

Geistesgeschichtlich einflussreich war der philosophische Symbolbegriff von Ernst Cassirer, den dieser in seinem Hauptwerk Philosophie der symbolischen Formen (1923-1929) entwickelte: Der Mensch erfasst die Wirklichkeit nicht an sich, sondern durch die Vermittlung der symbolischen Formen (Sprache, Mythos, Kunst). In der Psychoanalyse von Sigmund Freud spielt das Symbol eine herausragende Rolle: Der als Verdrängungsvorgang gedeutete Umgang des Menschen mit seinem Unbewussten vollzieht sich in symbolisch verschlüsselten Formen. Kultur und Religion sind für Freud kollektive Zwangsneurosen: Ihre Symbolik gilt ihm als Ergebnis verdrängter Wünsche. In der analytischen Psychologie C. G. Jungs sind Symbole – im Unterschied zu bloßen Zeichen – keine eindeutigen, sondern immer mehrdeutig-komplizierte Größen. Mit seiner Hypothese vom „kollektiven Unbewussten” und seinen Archetypen hat C. G. Jung u. a. die Religionswissenschaft Mircea Eliades beeinflusst. Der „symbolische Interaktionismus” (George Herbert Mead, u. a.) hat einen weit gefassten Symbolbegriff: Symbol ist alles, was Bedeutung hat. Diese entsteht durch Interaktion, durch das Zusammenwirken von Person, Sache und Situation.

In der abendländischen Religionsgeschichte bezeichnet der Begriff Symbolum das Glaubensbekenntnis (drei ökumenische Symbole sind Apostolikum, Nicaenum, Athanasianum). Darüber hinaus fungiert er als Titel von Bekenntnisschriften der lutherischen Kirchen („symbolische Bücher”). Die Religionswissenschaft hat den Symbolbegriff seit dem 18./19. Jahrhundert auf alle sinnlich wahrnehmbaren Phänomene mit religiöser Bedeutung (heilige Gegenstände, Orte, Zeiten, Handlungen, Worte usw.) ausgeweitet, die dadurch zu Symbolen für eine „Begegnung mit dem Heiligen” (Gustav Mensching) werden. In der protestantischen Theologie war der Symbolbegriff Paul Tillichs von erheblichem Einfluss.


Autor: Udo Tworuschka, Microsoft® Encarta® Professional 2002. © 1993-2001 Microsoft Corporation. Alle Rechte vorbehalten.

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