Die Zeichenkritische Theorie basiert im Wesentlichen auf einer Aporie: Im O-Modell werden alle Wirklichkeitsebenen auf die Basis der Realität bezogen. Die Realität, so behauptet die Zeichenkritische Theorie, sei die grundlegende Qualität, von der sich alle weiteren - äußeren wie auch inneren - Wirklichkeitsebenen ableiten. Bei allen Ableitungen kommt es notwendigerweise zu Veränderungen, da die jeweiligen Ableitungen immer auch  noch von anderen Gesetzmäßigkeiten bestimmt sind, als die, von denen sie sich ableiten. Allerdings: diese Realität ist in ihrer objektiven Struktur nicht fassbar durch das menschliche Bewusstsein. Keine noch so ausgereifte wissenschaftliche Methode wäre in der Lage, dem menschlichen Bewusstsein ein hundertprozentiges Bild der Realität zu vermitteln. Immer sind die Bedingungen der menschlichen Physiologie, der Psychologie, der gesellschaftlichen Zwecke und historischen Ziele Faktoren, die die "Realität" nur im Sinne der menschlichen Wahrnehmungszusammenhänge erschließen lassen.

Bei O' werden die Zusammenhänge der wahrnehmbaren "objektiven" Realität in die Wahrnehmungsweise des ZNS umgewandelt, und damit den gehirnphysiologischen Gegebenheiten einverleibt und entsprechend umgeformt. Dass dies "funktioniert", kann man nur damit erklären, dass das O' ein der menschlichen Existenzform entsprechendes Bild der Realität darstellt, welches geeignet ist, die notwendigen menschlichen Lebensprozesse zu gewährleisten. Würden diese durch die Abbildung der Realität nicht mehr gewährleistet sein, wäre der menschliche Organismus nicht mehr überlebensfähig. Dies finden wir z.B. bei pathologischen Veränderungen.

Bei O'' spielen wieder die materiellen Strukturen der medialen Träger eine wesentliche Rolle. Dazu kommt sicherlich auch noch die Tatsache, dass die komplexen Vorgänge im Gehirn selbst zwar erst über sprachliche Formen ins Bewusstsein gelangen, dass aber unterbewusste und vorbewusste Wahrnehmungsweisen diesen Verbalisierungen an Ausdruckskraft und Stärke in nichts nachstehen und ganz eigene Dynamiken entwickeln, wie ja die Psychologie deutlich machen kann. Und wenn man dann davon ausgehen mag, - was unwahrscheinlich ist, - dass unser Sprachzentrum (Brocca-Areal) in seinen grammatikalischen Strukturen der tatsächlichen Sprache direkt entspricht, das Artikulierte dann eben tatsächlich identisch mit dem wäre, was zumindest im Sprachzentrum sich "formuliert" hat, dann bliebe immer noch die Wahl des jeweiligen Mediums ein Faktor, der ganz entscheidend die so vorformulierte Botschaft beeinflussen wird. 

O''' ist wieder die Umformung des sprachlich Umformulierten in die ganz andere Vorstellungswelt eines anderen Menschen hinein, der mit seinen eigenen Erfahrungen und Inhalten die vernommenen Zeichen interpretieren muss - also mit Sicherheit, und wie wir alle aus vielen Erfahrungen her kennen - eine markante Veränderung gegenüber dem, was sprachlich zum Ausdruck kommt und noch mehr gegenüber dem, was als Idee hinter dem sprachlich Formulierten gesteckt haben mag...

Und O'''' dann, die Systematisierung von Vorstellungswelten nach draußen, materielle und ideelle Strukturen verbinden sich mit dem, was von der Realität angeboten wird, zu neuen Formen und Zusammenhängen ganz umfassender Art, häufig so, dass man das Ursprüngliche der Realität gar nicht mehr erkennen kann. Was hat eine moderne Großstadt noch mit der "Realität" zu tun? Was Was verbindet den Passagier auf einem Luxusliner (wenn es nicht die Titanic ist) noch mit den Elementen? Die heutige Kultur schützt den Menschen so perfekt vor der Natur dass es kaum noch eine Verbindung zu geben scheint, obwohl es kein Quäntchen Kultur gibt, dessen Grundlage nicht die Realität - eben die Natur - wäre. 

Die Fragestellung in diesem Kapitel ist nun, welche Wirklichkeitsebenen sich wie miteinander so verschmelzen können, dass sie für unsere Wahrnehmung als unterscheidbare Anteile der Wirklichkeit in Erscheinung treten.


Wir haben ja schon ausgeführt, dass die Zeichenkritische Theorie das, was wir Menschen als "die Wirklichkeit" erfahren, modellhaft und hypothetisch in Wirklichkeitsebenen gliedert. Selbstverständlich ist die Wirklichkeit das, worin wir uns bewegen, was wir erfassen, erkennen, erleben wollen. Dennoch gibt es über das Phänomen der Mischungsverhältnisse erfassbare Anteile dieser Wirklichkeit, die als Wirklichkeitsmodi begreifbar sind. Dass sich z.B. eine Tasse als Wirklichkeitsmodus von dem Wirklichkeitsmodus einer Diskussion deutlich unterscheidet, erscheint erst einmal selbstverständlich und eher banal. Wenn man dann hinter solchen Wirklichkeitsmodi aber bestimmte Gesetzmäßigkeiten entdecken kann, wird die Untersuchung sicherlich interessant.


Der Wirklichkeitsmodus O - O'' umgibt uns fast überall. Jeder kulturell besetzte Raum ist von diesem Wirklichkeitsmodus durchdrungen. Jede konkrete Objekte hervorbringende menschliche Tat, die auf einer Überlegung, einem Plan basiert, führt zu diesem Wirklichkeitsmodus.

Z.B. die Tasse: Die Tasse besteht aus Keramik, aus Porzellan, vielleicht auch aus Plastik. Sie ist gemacht aus einem Stoff der in der Natur vorkommt, beim Plastik aus Molekülen, die in der Natur vorkommen. Bei der Tasse ist dies der Anteil von O, also der Realität an diesem Gegenstand. Der Anteil von O'' besteht dann darin, dass dieses Material geformt wurde, dass es chemisch/physikalisch weiterbehandelt wurde unter Ausnutzung der natürlichen Gegebenheiten wie z.B. Hitze. Die "Formulierung" ist demnach die Verbindung von einem Naturprodukt und einer Verfahrensweise, dieses Naturprodukt im Sinne eines menschlichen Bedürfnisses zu verändern. 

Der Wirklichkeitsmodus O-O'' ist der Modus, der sicherlich im konkreten Umgang mit Dingen und Sachen uns am häufigsten entgegentritt. Jedes vom Menschen hergestellte Objekt hat diesen Modus: der Pullover, das Haus, das Auto, der Garten, der Park, und natürlich auch jedes Medium.

Innerhalb des Wirklichkeitsmodus O - O'' gibt es zwei Varianten: die eine weist eine Richtung auf, die von O nach O'' (O - > O'') geht die andere eine Richtung von O'' nach O (O - < O''). 

Was kann man sich darunter vorstellen?

Unter O - < O'' wird ein Artefakt beschrieben, welches die ursprüngliche Verbindung mit den "Rohstoffen" noch deutlich werden lässt: man kann sich darunter eine unglasierte Tonschale ebenso gut wie einen ganz "urigen" Pullover vorstellen, bei dem die Wolle noch ganz roh verarbeitet wurde. Ein Lehmhaus, vielleicht sogar ein Fachwerkhaus lässt auch noch die Nähe zu der natürlichen Quelle spüren, "Naturkost" und vielleicht sogar Windenergie, vielleicht ein Segelflugzeug können Beispiele für diese Verbindung sein. Im künstlerischen Bereich gibt es hier die arte povera oder die l'art brut, die Landart, die künstlerische Form des "Eingriffs" und dergleichen. 

Unter O - > O'' wird dagegen ein Artefakt beschrieben, dessen "natürliche" Qualitäten weitestgehend unsichtbar geworden sind (und unsichtbar sein sollen). Sie zeigen eher die völlige Beherrschung der natürlichen Qualitäten, die "Verfeinerung", auch das "Kultivierte", wenn es sich als als Antikonzept zum "Natürlichen" versteht. Am eigenen menschlichen Körper erscheint dies als "Make up", als Parfum, auch viele Modeerscheinungen lassen den menschlichen Körper eher als notwendiges Übel denn als Subjekt der Selbstwahrnehmung erscheinen: Tattoo und Piercing gehören hier ebenso dazu wie die super inszenierte Modenschau. Es ist die Ideologie des 5-Sterne Kochs gegenüber dem Müsli-Freak, Es ist "Design" gegenüber "Wabi-Sabi"1, es ist Schulmedizin gegenüber Naturheilkunde. 

Im Extremfall gehört hierher auch das Klonen und die Genmanipulation, es ist die menschliche Vermessenheit zu meinen, alle natürlichen Ressourcen stünden dem Menschen zur Manipulation frei. 

O - > O'' und O - < O'' sind zwei Konzepte menschlicher Selbstwahrnehmung, die sich diametral gegenüberstehen: der Mensch, der die Natur beherrschen will, sie sich untertan machen möchte, und der Mensch, der in Einklang, in Ehrfurcht mit und in der Natur lebt. 


O''-O'''' ist der Wirklichkeitsmodus der Kultur. Kultur ist nur denkbar als eine endlose Menge von formulierten Sätzen, Bildern, Objekten und Organisationsstrukturen. Alle diese Elemente bilden ein aufeinander bezogenes System mit einem Gesamt-Sinn, der als Ordnungssystem für eine Gesellschaft wirkt. Diese Ordnungssysteme können unterschiedlich sein, je nach den entsprechenden Machtverhältnissen und situativen Erfordernissen. Geregelt werden sie durch Sprachsysteme. Herrschaftsstrukturen kennzeichnen in erster Linie kulturelle Systeme, die Art und Weise wie Macht in einer Gesellschaft verteilt ist ist die Grundlage für materielle, institutionelle und geistig-religiöse Ordnungen. Ist O'' lediglich die Formulierung eines realen Tatbestandes, so ist O'''' sozusagen die Supergrammatik innerhalb eines gesellschaftlichen Systems. 

O''-O'''' ist deswegen ein Wirklichkeitsmodus, weil kein kulturelles System ohne konkrete Formulierungen auskommt. der Unterschied einer "bloßen Formulierung" (O'') zu einem "Formulierungssystem" (O'''') ist der, dass im einen Fall die Formulierung willkürlich, situativ, kontextuell bedingt ist, im Falle der kulturellen Kohärenz diese Formulierungen so aufeinanderbezogen sind, dass sie nicht mehr beliebig austauschbar sind, dass alle an einer Kultur beteiligten Sprachsysteme ein Gesamtensemble bilden, dessen Stimmigkeit sich nicht mehr von der Realität her ableitet, sondern von den Erfordernissen einer kohärenten Kultur im Zusammenhang ihrer konkreten Machtstrukturen. Das Verhältnis zur Macht bestimmt dann auch die Akzeptanz dieses kulturellen Netzes, das "Netz" ist im doppelten Sinn seiner Bedeutung: es fesselt, und es schützt vor dem Fall, es ist Sicherheit, und es verhindert gleichzeitig den Kontakt mit dem "Boden der Realität":

Auch hier gibt es wieder Varianten:

O'' - < O''''      Verhaltensregeln im Einklang mit der Realität aufstellen, Begriffe bilden; Konzepte auf ihre Anwendbarkeit hin überprüfen
O'' - > O'''' Sprachsysteme zum Erhalt des kulturellen Systems; Die Einhaltung von Regeln fordern, ideologisch argumentieren; jemanden mit sprachlichen Mitteln in seinem Handeln beeinflussen (agitieren).

In jeder Gesellschaft gibt es natürlich "Subkulturen" und "Randgruppen", die mehr oder weniger geduldet oder auch bekämpft werden. Die Subkulturen so zu integrieren, dass sie der herrschenden Kultur nicht gefährlich werden, ist vorrangige Aufgabe der Politik. Man muss Lösungen finden für die Probleme derer, die nicht an der Macht beteiligt sind, und die von den Auswirkungen ökonomischer und sozialer "Schieflagen" in welcher Weise auch immer benachteiligt sind. Dazu wird die Sprache vehement eingesetzt, insbesondere ist das Fernsehen in unserer Kultur ein machtvolles Mittel geworden, die Bedürfnisse der Menschen im Sinne des Machterhalts zu kanalisieren. Die Subkulturen selbst entwickeln ein eigenes sprachliches Repertoire, was dann von der herrschenden Kultur möglichst schnell einverleibt wird, modisch aufbereitet und dann den Menschen wieder für teures Geld zum bereinigten Konsum freigegeben wird. Dazu dienen "Trendscouts", Meinungsforschung, und heute insgesamt die ganze "Pop-Industrie".


Die Wirklichkeitsebene O - O'''' heißt wiederum zweierlei: Als Gesellschaft nach den Gesetzen der Natur leben (z.B. bestimmte Indianerstämme), kulturelle Systeme direkt an der Natur orientieren (z.B. der Ackerbau im alten Ägypten), heißt, ein Gesellschaftssystem zu etablieren, welches den Erfordernissen der Natur und der Natur des Menschen entspricht. Vielleicht kann man sich darunter bestimmte Formen des Matriarchats vorstellen, vielleicht auch bestimmte Formen von Sozialismus oder Anarchismus, immer wird diese Gesellschaftsordnung im eigentlichen Sinne "human" sein, und Staatsdenker aller Jahrhunderte haben sich darüber den Kopf zerbrochen, wie dies verwirklicht werden kann. (O - < O'''')

Die andere Variante ist die heute übliche: Gewalt und Macht sind Grundlagen von Gesellschaftssystemen, Bereicherung des Einzelnen auf Kosten der Natur und der Allgemeinheit. Versklavung, Ausbeutung, aber auch allein die Tatsache, dass Eigentum sich ab einer bestimmten Quantität mit Macht koppeln kann, die dann gegen die Allgemeinheit, für die persönliche oder clan-bezogene Bereicherung verwendet werden kann (Damit sind auch religiöse Gemeinschaften inbegriffen). Die Ressourcen der Natur werden in diesem Denken vernichtet (Regenwald, Erdölvorkommen etc.), unliebsame Gegner werden eliminiert (Mafia, Genozid, Eroberungskriege, und dergl. mehr). Die Vorstellung, dass eine Demokratie als Gesellschaftsform "gerechter" wäre, wird dadurch zunichte gemacht, dass auch hier die Besitzverhältnisse dazu führen, dass ihre Macht letztlich größer wird als die der Politik (Lobbyismus und andere Formen der wirtschaftlichen Beeinflussung politischen Geschehens), und die weitgehend auf die Wahl selbst herunterformalisierte Beteiligung des Volkes an dem politischen Geschehen (ganz abgesehen von der Macht der eingesetzten Werbemittel), führt zu einer Entpolitisierung, die wir alle erleben, und die letzten Endes das Konzept der Demokratie ad absurdum führt. (O - > O'''')

Natürlich sind alle diese Gesellschaftssysteme auch auf die entsprechenden Sprachsysteme angewiesen, Schriftsprache (Juristerei, Literatur, "heilige Schriften" etc.) werden für den Staatserhalt eingesetzt, desgleichen aber auch Bildnerei, Architektur, Musik, Theater usw. Selbstverständlich können alle diese Sprachformen auch innerhalb der Systeme kritische Positionen einnehmen. Dies wird im Rahmen der Zeichenkritischen Theorie unter der Aussageebene O''''' gefasst. 


Exemplarisch soll hier noch ein weiterer Wirklichkeitsmodus untersucht werden: Der Wirklichkeitsmodus O'-O'''. Da in der Zeichenkritischen Theorie Wirklichkeit nicht nur auf das reduziert ist, was "dingfest" gemacht werden kann, so sind die internen, geistigen, bewussten und unbewussten Wirklichkeiten mindestens so wirklich wie die Realität. Wenn man davon ausgeht, dass Wirklichkeit aus der menschlichen Perspektive immer das ist, was sich davon im Kopf abbildet, dann wird vielleicht klar, dass 'die Wirklichkeit' eher im Kopf wahrgenommen wird, als da, wo wir sie allem Augenschein nach hindenken: im Bereich des 'Draußen'. Wir wollen uns in diese Diskussion hier nicht einlassen, wichtig ist, dass die internen Wirklichkeitsebenen ebenso wichtig sind wie die externen. 

Die Zeichenkritische Theorie unterscheidet zwei interne Wirklichkeitsebenen: O' als die Wirklichkeitsebene der Befindlichkeit, und O''' als die Wirklichkeitsebene der Wirksamkeit (- von Sprache). Es wurde bereits ausgeführt, dass die Wirklichkeitsebene der Befindlichkeit, also O', das Zentrum unserer Wirklichkeitswahrnehmung überhaupt ist. Nur von hier aus können wir die Welt außerhalb und uns selbst als Identität und Individuum 'orten'. O''' hingegen wurde bereits beschrieben als kurzlebig. Kurzlebig in dem Sinn, dass Informationen von anderen Menschen, die auf uns eindringen, eingearbeitet werden in unser O', wenn sie nicht von vornherein verworfen werden. Sind sie erst einmal Bestandteil des O', also der Befindlichkeit und der Position, in anderen Worten des eigenen Weltbildes, dann besteht eigentlich kein Anlass mehr, das 'fremde' O''' noch als etwas Gesondertes zu erleben. 

Wenn es Sinn macht, O'-O''' dennoch als eigenen Wirklichkeitsmodus zu beschreiben, dann deswegen, weil dieses O''' zwar eingearbeitet wird in die eigene Weltvorstellung aber immer noch von der Quelle her differenziert wahrgenommen werden kann. Das unterscheidet dieses O''' von den Gedankeninhalten, bei denen wir überhaupt nicht mehr wissen, woher wir sie haben, noch klarer: wir sind felsenfest davon überzeugt, unsere Vorstellung von Welt seien auf unserem eigenen Mist gewachsen.

Bei dem Wirklichkeitsmodus O'-O''' ist das anders: Hier bleibt uns bewusst, dass wir es mit fremdem geistigen Eigentum zu tun haben. Wir gehen damit sorgsam um, wir zitieren korrekt, 'schmücken uns nicht mit fremden Federn', die Bibliotheken und Bücherregale in Privathäusern geben davon beredt Zeugnis. Und in dieser Einarbeitung von fremden Wissen in unser eigenes Wissen, ohne dabei den Ursprung, die Quelle  zu vergessen, geschieht eine ganz wesentliche Hinwendung zu dem, was man eine Kultur nennen kann. Kultur kann nur dann sich entwickeln, wenn nicht jeder behauptet, er alleine habe alles erfunden, sondern wenn man sich aufeinander berufen kann, wenn sich ein kulturelles Netzwerk entwickelt von gemeinsamem Wissen, von gemeinsamen Überzeugungen, und wenn man den Kontakt zu den geschichtlichen und geistigen (auch religiösen) Gründen dieser Gemeinsamkeit nicht verliert. 

In diesem Wirklichkeitsmodus steckt die Grundvoraussetzung für kulturelle Leistungen einer Gesellschaft, ungeachtet der Akzeptanz der konkreten Formen, die diese Kultur entwickelt hat. Man kann selbstverständlich auch kritisch mit diesem Erbe umgehen. 

Eben das Erbe! Wenn ich ein Stück Geerbtes in die hand nehme, dann erinnere ich mich an die Person, von dem ich es geerbt habe. Insofern ist das Erbe viel mehr als nur die Weitergabe von Besitz und Vermögen, es ist Grundbedingung für die Achtung einer gesellschaftlichen Kontinuität. 

Natürlich gibt es auch bei diesem Modus die unterschiedlichen Varianten: O' - > O''' und O' - < O'''.

O' - > O''' würde dann die Haltung bezeichnen, die es für ganz wesentlich hält, mit geistigem Eigentum korrekt umzugehen, (eine Freude für die Verwertungsgesellschaften!), und 

O' - < O''': hier sind die 'Aneigner' am Werk, die, denen es selbstverständlich ist, zu klauen wie die Raben und dann so zu tun, als wären es die eigenen Erfindungen. Hier finden die Patentdiebstähle statt, hier tun Kuratoren von Ausstellungen so, als wäre es ihre Ausstellung und nicht die, der von ihnen gezeigten Künstler... 


Anmerkung

1 Wabi-Sabi ist eine japanische Tradition, die von der Schönheit des Rohen, des Gebrauchten, des alt Gewordenen ästhetische Maßstäbe ableitet. Ursprünglich von der Teezeremonie herkommend, wird dieses Prinzip heute auf viele Bereiche übertragen (auch Architektur) und findet auch in Europa Anhänger.