Zur Vorgeschichte

Ich stelle hier eine Arbeit zur Theorie einer erkenntnistheoretischen Bildanalyse vor, die mehrere Jahre, eher Jahrzehnte an Arbeit, an Diskussionen, an Überprüfungen, an Enttäuschungen und wunderbaren Momenten verschlungen und ebenso geschenkt hat. Diese Theorie nenne ich die "Zeichenkritische Theorie" (Abkürzung: ZKT), da sie den Theoretiker wie den Praktiker in die Lage versetzen kann, das komplexe System kultureller Zeichensysteme, insbesondere das der visuellen Zeichensprache des zweidimensionalen Bildes (die ZKT lässt sich jedoch auf alle Zeichensysteme beziehen) anzuwenden und zu verstehen.

Im Laufe dieser Jahre hat sich die Struktur und der Aufbau dieser Arbeit immer wieder geändert, Anteile sind hinzugekommen, Klarheiten und Sackgassen haben sich aufgetan und wieder aufgelöst. Immer wieder konnte ich darüber mit meiner Frau diskutieren, die meine härteste Lehrmeisterin bei dieser Arbeit war.

Durch diese Arbeit - und das war das überraschendste - hat sich eine neue Sichtweise über das Abstrakte ergeben, die insgesamt für mich das Kernstück dieser Theorie geworden ist.

Begonnen hat diese Arbeit in meiner Münchner Studienzeit, in den Jahren 1968 bis 1972, als es immer wichtiger wurde sich intensiv mit den ideologischen Grundlagen "bürgerlicher" Kunst auseinander zu setzen. Es gab damals das "Malverbot", weil das Malen als eher sinnlose Tätigkeit aufgefasst wurde angesichts einer Gesellschaft, die der Aufklärung, der Politisierung und der Emanzipation bedurfte. Als Gruppe von Studenten organisierten wir eine erste "Filmklasse" an der Kunstakademie München, der Name dieser Gruppe war "kritische Filmgruppe". Hier wurden die analytischen Elemente der Film- (und Bild-)analyse erarbeitet, vor allem wurde damals die Semiotik für die Untersuchung von Bildern entdeckt.

Das Studium der Semiotik und der Versuch, damit auch im Unterricht am Gymnasium SchülerInnen zu einem umfassenderen Verständnis für Kunst zu führen, hat mich letzten Endes dahin geführt, wohin ich Sie mit dieser Arbeit jetzt ebenso führen möchte.


Die Zeichenkritische Theorie als Kunstform

Ich möchte mich hier entschuldigen für alle Ungenauigkeiten, sicherlich auch Fehler, die mir in dieser Arbeit unterlaufen sind. Ich bin als Künstler und Lehrer tätig und kann deswegen nur eingeschränkt wissenschaftlich arbeiten. Im Laufe der Zeit bekam ich aber immer mehr - nach dem schlechten Gewissen der Jahre zuvor - die Überzeugung, dass es auch eine Kunstform ist, sich als Künstler mit Theorie zu beschäftigen. Die Entdeckung der "Individualsymbolik", als einem wichtigem Begriff in der zeichenkritischen Theorie, und die Überlegung, dass jede künstlerische Tätigkeit dieser Wahrnehmungstendenz entspricht, hat mich zu der Überzeugung gebracht, dass auch theoretisches Arbeiten eine Form sein darf, die ein Künstler praktizieren kann. Und es gibt ja genügend Künstler vor mir, die dies bereits getan haben. Die Zeichenkritische Theorie ist eine Kunstform.