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Sonnenuntergang

Die sprachsymbolische Wahrnehmung von Wirklichkeit

Wenn ich die Realität wahrnehme, dann fließen in diese Wahrnehmung immer auch Erinnerungen an kulturelle Vorstellungen ein, und die entsprechenden Formulierungen (seien sie sprachlicher oder bildhafter Art) legen sich wie ein Filter über das Wahrgenommene. Gleichermaßen benutzt man beim Denken, beim Erinnern von Situationen und von Zusammenhängen intern sprachliche Formulierungen, um diese sich zu vergegenwärtigen 1. Diese Formulierungen sind kulturelle Denotationen, die auch die Auswahl des Erinnerten begrenzen. Jedes so Erinnerte und Gedachte ist dann auch ein in gesellschaftliche Kontexte Eingebundenes. Die Sprache, die sprachliche Formulierung von Erinnerungen - und sei es auch nur in Gedanken - hat eine ähnliche Funktion wie das Fotoalbum: Das Erinnerte wird auf das reduziert, was formuliert wird, man kann dann dieses so Konservierte (als "Geschichte", als "Diaabend") in die eigene Geschichtsschreibung integrieren, wohl- zensiert und geordnet, mit Bildunterschriften versehen. Das, was nicht verbal "gefasst" wird (in der Form des geschliffenen Edelsteines) wird ver- schoben, verdrängt, und im Ernstfall zum Beunruhigungsherd. Es gibt aber eine ganze Menge von cut-outs, die wir selbstverständlich als solche erfassen können, und für die es keine Begriffe gibt, weil man sich in der Regel (einer Kultur) darüber nicht unterhält 2.


1  Dies ist beim Träumen möglicherweise anders, obwohl auch dort sich Worte, Sätze, Formulierungen hineinzwängen, die das Geträumte gliedern.

2  Siehe auch das Buch: „Der tiefere Sinn des Labenz”, von Douglas Adams u.a.