Die indexalische Darstellungstendenz
 

Til Mette, Zur BSE-Krise; etwa 2000

 

Der indexalische Zeichenaspekt zeichnet sich dadurch aus, dass er auf dem Bild selbst gar nicht vorhanden ist. Diese Paradoxie lässt sich nur durch die Tatsache lösen, dass Sender und Empfänger für der Codierung und Decodierung der auf dem Bild vorhandenen Informationen verantwortlich sind.

Jede Sprache steht in einem Kontext von Bezugsystemen, seien diese speziell zeitgeschichtlicher oder übergreifender sprachlich-kultureller, oder auch objekthafter Art.

Jeder Sprachakt findet im Kontext einer zeitgeschichtlichen Situation statt, die sowohl Sender als auch Empfänger in der Regel kennen. Die entsprechenden Informationen brauchen dann nicht extra benannt zu werden, oder der Kontext ist sogar so selbstverständlich, dass weder Sender noch Empfänger überhaupt an diesen Kontext denken und die Information dennoch in diesen Kontext einfügen.

Alle Bilder, die in einer bestimmten Zeit entstehen, stehen im Bezugsystem all der Bilder, die gleichzeitig mit diesem Bild von kulturellem Belang sind, und bilden mit diesen ein "Bedeutungsfeld", aus dem das einzelne Bild kaum herausgelöst werden kann. Dieser kulturelle situative Kontext, in dem jedes Bild entsteht ist dafür ausschlaggebend, wie es dann gelesen wird, ohne dass alle Informationen dieses kulturellen, situativen Kontextes auch auf dem Bild als Zeichen vorhanden sein müssten. So kann man verstehen, dass Informationen, die auf dem Bild nicht vorhanden sind, dennoch "mitgelesen" werden können.

Einen kontextuellen Objektbezug haben Sprachakte dann, wenn die Information sich nur im Zusammenhang eines direkt auf die Situation bezogenen materiellen Zusammenhanges verstehen lässt (Stadtplan, Wegweiser, Verkehrszeichen, "mache mal das Fenster zu", "Wo ist meine Brille" etc...). Dies ist der "klassische" Bereich des "indexalischen Zeichens", wie er in vielen Lehrbüchern beschrieben steht.

Die Kenntnis des Kontextes eines Zeichenzusammenhanges ist für die Zeitgenossen mehr oder weniger selbstverständlich, und in dem Rahmen der jeweiligen Sprachbeherrschung kann jeder die Bedeutung des Zeichenzusammenhanges erkennen. Dazu ist dieser Kontext auch überprüfbar, und der Kritik zugänglich. Im Zeitpunkt der Entstehung eines bildnerischen Zusammenhanges können die Kontexte auf ihre Zuordnung hin geprüft und dann auch verworfen werden.

Besonders interessant ist der Umstand, dass der Rezipient möglicherweise einige hundert Jahre später, und dann selbstverständlich in einem völlig anderen Kontext lebt. Dieser spätere gesellschaftlich-kulturelle Kontext ist dann die Matrix unter dem dieses Bild dann gelesen wird. Um es im Sinn der damaligen Zeit zu lesen, muss der Rezipient von heute sich Wissen aneignen von den Zeitzusammenhängen damals. Er muss Zeitgeschichte studieren und in diesem Zusammenhang auch die Bedeutungsmuster der damaligen kulturellen Sprachverwendung. (Ob dies insgesamt möglich ist, bleibt äußerst fraglich, und ist somit auch immer Anlass für Irrtümer, Interpretationen und Vermutungen - oder auch "Meinungen", die dann durch Fachleute zur "gültigen wissenschaftlich fundierten Lehrmeinung" erhoben wird.)

 

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